Originaltitel: SORRY, BABY

USA 2025, 104 min
Verleih: DCM

Genre: Tragikomödie

Darsteller: Eva Victor, Naomi Ackie, Louis Cancelmi, Lucas Hedges, John Carroll Lynch

Regie: Eva Victor

Kinostart: 18.12.25

Sorry, Baby

Heilung naht

Eva Victor weiß, was hier gespielt wird. Es ist ihr Drehbuch, ihre Figur und Regie, und auch die Hauptrolle gab sie fürs Debüt nicht aus der Hand. Wäre es aber die Eins-zu-eins-Vorlage ihres Lebens, müßte man von einem äußerst tapferen Akt der Selbstbehauptung sprechen. Victor hat die Story „ursprünglich für mein früheres Ich“ geschrieben. Entstanden ist ein kluger, zärtlicher, schon mit bestechender Sicherheit die Zwischentöne und Zwischenräume wechselnder Film. Einer, so Victor, „den ich damals gebraucht hätte, als ich selbst eine ähnliche Krise durchlebt habe.“ Speziell durch die feinen Adern heilender Komik ist SORRY, BABY jetzt in erster Linie für die Krisen der anderen da.

Fünf Kapitel beschreiben das Ausatmen der Jahre. Agnes ist zunächst Studentin, dann Jungprofessorin für Literatur an einer kleinen Uni in Neuengland. Alles hier ist Nummern kleiner als in Metropolen. Agnes’ Herzensfreundin Lydie hat es nach New York gezogen, es ist wundervoll, ihnen beiden zuzusehen, denn diese Freundschaft ist Liebe in einem eigenen Kosmos immer dann, wenn die beiden sich haben. Agnes, im Grunde eine aufrecht kesse und pragmatische Frohnatur, scheint trotzdem wie festgetackert zu sein, doch pures Unglück läßt sie nicht zu. Es sind ja fünf Kapitel …

Nachbar Gavin ist allein zu Haus und darf für eine der herrlichsten Badewannenszenen der jüngeren Filmgeschichte herhalten. Wie die Katze in Agnes’ Leben kam, ist grandios miaut, und wie der unbeschreibliche John Carroll Lynch ihrer Panikattacke auf offener Straße mit einem Sandwich begegnet, sollte mit dem Siegel „Instant Classic“ versehen werden.

All das kaschiert jedoch nicht das ernste Fundament von SORRY, BABY bis hin zur Unkenntlichkeit. Denn: Der sexuelle Mißbrauch von Professor Decker hat stattgefunden, und zwar in diesem Haus, das Victor nur von außen zeigt, in statischen Einstellungen, während das Tageslicht die Stunden frißt. Agnes wird Lydie die Situation beschreiben, natürlich Lydie! Mit ihr wird sie zum Frauenarzt gehen und dessen Konformität mit trockenem, am Galgen hängendem Humor begegnen. Wie die weibliche Führungsriege in der Uni reagiert, macht Agnes dann nur sprachlos, und ihre Bewerbung für die Jury bei Gericht hat man so erhellend auch noch nicht gesehen. Kurzum: Mit Victor, Jahrgang 1994, ist ein nächstes Top-Talent im Independentkino angelandet. Gute Reise!

[ Andreas Körner ]