Originaltitel: ASTEROID CITY

USA 2023, 106 min
FSK 12
Verleih: Universal

Genre: Science Fiction, Schräg, Komödie

Darsteller: Jason Schwartzman, Scarlett Johansson, Tom Hanks, Tilda Swinton, Edward Norton, Adrien Brody, Matt Dillon, Willem Dafoe, Steve Carell, Margot Robbie, Jeff Goldblum, Jeffrey Wright, Rupert Friend, Bryan Cranston, Hope Davis, Liev Schreiber, Steve Park

Regie: Wes Anderson

Kinostart: 15.06.23

6 Bewertungen

Asteroid City

Wer, wie, Wes? Wieso, weshalb, warum?

2014 schrieb Kollege Paul Salisbury in seiner Kritik zu GRAND BUDAPEST HOTEL, daß mehr geschlagene Haken und Cameo-Auftritte in keinen Film passen würden. Mangels einer Glaskugel fehlte ihm das Wissen um ASTEROID CITY, Wes Andersons Aktuellen, in dem diesbezüglich tatsächlich noch Platz war. Aber eben andererseits auch Luft nach oben.

Vielleicht ahnt man’s bereits (möchte es jedoch natürlich nicht wahrhaben) beim Rollen des komplett durchstilisierten Vorspanns, eine prahlerische Aufzählung sämtlicher Prominenz, die nachfolgend wenigstens mal kurz das Bild quert. Ein auf die dicke Hose klopfendes, dabei fast lächerlich laut tönendes „Guckt her, wer alles zugesagt hat!“, und sei es für eine Mikro- bis Nano-Szene – oh, Margot Robbie?! Gerade glatt übersehen, Jeff Goldblum! Ruft Anderson, kommt heuer Tom Hanks vorbei und trägt quasi jungfräulich etwas, das erfahrenen Haudegen wie Tilda Swinton oder Jason Schwartzman nicht (mehr?) gegeben ist. Einen Glasschneider nämlich.

Will heißen: Ganz selbstverständlich, erhofft und einfach erwartet schaut das unfaßbar grandios aus, nutzt jede bekannte Pastellfarbe und mischt ein paar weitere hinzu, komponiert berauschende visuelle Sinfonien, läßt der Kamera, deren Aufgabe die eines wörtlichen Beobachters ist, nie Ruhepausen, stopft die Kulissen detailliert voll, sie drohen schier zu bersten. Nun gehört derart Arrangiertes, jene große Kunst nach Andersons Auffassung allerdings abgeschirmt, hinter dickes Panzerglas gesteckt, grell blinkender „Nicht berühren!“-Schriftzug inklusive. Und genau das verkneift sich’s dann zurück: Es berührt nie, versperrt sogar konsequent den Zutritt. Erlaubt nur kleine Lücken in der hermetischen Abriegelung, wenn Hanks erwähntes Werkzeug ansetzt. Oder es am besten gleich Scarlett Johansson reicht.

Der Ebenfalls-Neuzugang spielt Midge Campbell, einen ehrfürchtig beraunten, auf mißbrauchte Alkoholikerinnen spezialisierte Leinwandberühmtheit mit Janet-Leigh-als-Marion-Crane-Gedächtnisfrisur, im Gegensatz zum imposanten Restensemble ohne inneres Komödienschmunzeln oder offen ausgetobte Schräglage. Sondern nahezu introvertiert, teils verletzlich, immer ernsthaft, nie ihre stille Grandezza an irgendeinen Gag verkaufend. Und schafft so manchen Riß im Glas, das emotionale Splittern, die galante Handreichung zum Plot, welcher sonst oft auf der Strecke bleibt. Es geht, eigentlich allein der Form halber angerissen, um ein Wüstenkaff und dort gestrandete Menschen, vom Militär unter Quarantäne gestellt, nachdem ein super süßes Alien zwischenstoppte. Darunter ein frisch Verwitweter, dessen Kinder keine Ahnung vom erlittenen Verlust haben. Schließlich erzählt er ihnen, was geschah – und im Hintergrund jagen sich fröhlich bellende Hunde übern Sand. Nichts, bitte schon gar nicht das reale Leben, soll die hingetupfte, auf Weltfremdheit gepolte Collage stören.

Anderson versteigt sich zunehmend, die egozentrische, einen schwarzweißen Vollbildrahmen bauende Theater-Meta-Ebene gerät zum K(r)ampf, das Konstrukt zur Anstrengung aus selbstverliebter Nabelrevue, wegen offenkundigen Stolzes gern ständig wiederholten Aphorismen und Zitierwut. Stimmt da mittendrin Slim Whitman einen „Indian Love Call“ an, den in MARS ATTACKS! zu Gehör gebrachten Außerirdischenkiller, tappt Anderson indes in die eigene Falle. Weil man sich automatisch an Tim Burtons ähnlich starüberhäuftes, optisch genial abseitiges, wild dem 50s-US-Sci-Fi-Kino huldigendes, jedwede Normierung umtänzelndes Wunderwerk erinnert. Und daran, daß es sein Publikum zu sich nach Hause einlud, ans ungestüm pochende Herz drückte, ihm unablässig Schockwellen wonnig-schwarzhumoriger Zuneigung verpaßte und nicht bloß auf einen Schwatz verweilte. Draußen, vor der verstärkten Glastür …

[ Frank Blessin ] Frank mag Trash, Grenzgängerisches und Filme, in denen gar nicht viel passiert, weil menschliche Befindlichkeiten Thema sind. Russ Meyer steht deshalb fast so hoch im Kurs wie Krzysztof Kieslowski. Frank kann außerdem GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN mitsprechen und wird IM GLASKÄFIG nie vergessen ...