D 2022, 107 min
FSK 0
Verleih: Salzgeber

Genre: Dokumentation

Regie: Lutz Pehnert

Kinostart: 19.05.22

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Bettina

Die Aufmüpfige

Eine Frau mit grauen Haaren und rot geschminkten Lippen steht auf der Bühne und singt. Ihre Stimme ist tief und kraftvoll, ihre Witze sind geistreich. Rund 50 Jahre gehörte Bettina Wegner zu den lauten Stimmen aus der ehemaligen DDR, künstlerisch und politisch.

Also höchste Zeit, daß ein Dokumentarfilm nun ihr Leben skizziert. Regisseur Lutz Pehnert erzählt es von Anfang bis heute, klassisch, aber nicht langweilig. Denn allein das Eintauchen in dieses Künstlerleben der 70er- und 80er-Jahre ist spannend und aufschlußreich. Anhand vieler Fotos und Originalaufnahmen lernen wir Wegner als Stalin-Verehrerin, Mutter, Sängerin und Widerständlerin kennen. In eine kommunistische Familie hineingeboren, protestiert sie offen gegen die gewaltsame Zerschlagung des Prager Frühling, wird verhaftet. Der Audiomitschnitt ihrer Anhörung spiegelt, wie tief der Machtapparat der DDR in private Leben eindrang, aber auch, wie standhaft sich Wegner wehrt. Und so lernen wir eine Frau kennen, die kein Blatt vor den Mund nimmt, die liebt, wen sie will, so wie die Männer auch. Und doch gibt es einen Unterschied. "Aaach, wenn ich doch als Mann auf diese Welt gekommen wär’, das, was ich sag’ und denke, würde ernst genommen ...", singt sie und wird für ihre Generation zum Idol für Feminismus und Freiheit.

Schön ist, daß Wegner sich öffnet, selbstironisch und witzig. Auch die gescheiterten Liebesbeziehungen und familiären Tragödien werden nicht ausgespart. Am Ende steht sie mit Wolf Biermann und Thomas Brasch in der Reihe jener Intellektueller, die das System scharf kritisiert und trotzdem betrauert haben. Ein Widerspruch, dem der Film auf schöne und nachdenkliche Weise nachspürt.

[ Claudia Euen ]