Noch keine Bewertung

Crossing Over

Über Einwanderung und Ausweglosigkeit

Der Episodenfilm ist eine der schwierigsten filmischen Erzählformen. Einige Filmemacher haben sie meisterhaft zu ihrem Markenzeichen gemacht (Paul Thomas Anderson, Alejandro González Iñárritu), viele mehr haben sich daran die Zähne ausgebissen. Zentral bei diesem verzwickten Genre, in dem mehrere Hauptcharaktere und Einzelgeschichten gekonnt jongliert werden wollen, ist ein starkes Thema, das die Einzelteile innerlich zusammenhält. CROSSING OVER hat ein solches gewichtiges Thema, nämlich Immigration. Genauer gesagt: die Einwanderungspolitik der USA. Allerdings gelingt es Regisseur und Autor Wayne Kramer trotz seiner Masse an Figuren und Geschichten nicht, der Komplexität seines Themas gerecht zu werden. Stattdessen erlebt man eine Ansammlung von überkonstruierten Fallbeispielen, die einem die „richtige“ Haltung zum Sachverhalt vorgekaut servieren, statt dem Zuschauer einen eigenen Kopf zuzugestehen.

Unser aller Indy Harrison Ford spielt einen erfahrenen Agenten der Einwanderungsbehörde, den eine mexikanische Textilarbeiterin bei ihrer Verhaftung darum bittet, sich um ihren kleinen Sohn zu kümmern. Ashley Judd gibt eine engagierte Anwältin für Immigrationsfragen, die versucht, Adoptiveltern für ein afrikanisches Mädchen zu finden, dessen Mutter an AIDS stirbt. Der Ehemann der Juristin, gespielt von einem überzeugend schmierigen Ray Liotta, mißbraucht unterdessen seine Macht als Regierungsbeamter dazu, eine australische Schauspielerin, die alles für eine Green Card tun würde, zu seinen sexuellen Gunsten auszunutzen. Der Freund der Aktrice, ein britischer Musiker, versucht das Ziel Aufenthaltsgenehmigung auf unorthodoxe Weise zu erreichen, nämlich per Wandlung vom Atheisten zum orthodoxen Juden.

Das ist schon eine Menge narratives Holz, aber es sind noch längst nicht alle der Episoden, anhand derer Kramer ein umfassendes Bild amerikanischer Einwanderungsproblematiken zu zeichnen sucht. Dieser Erzählehrgeiz mag manchem löblich erscheinen, hier führt er aber dazu, daß keine der Storylines so richtig zünden will und die Charaktere großteils flach bleiben.

Die angestrebte Ambivalenz, die anhand der multiperspektivischen Erzählweise erreicht werden soll, scheitert zudem an der polemischen Aufbereitung und einem Schwall zu viel Pathos'.

Originaltitel: CROSSING OVER

USA 2008, 113 min
FSK 16
Verleih: Senator

Genre: Episodenfilm, Drama

Darsteller: Harrison Ford, Ashley Judd, Ray Liotta, Jim Sturgess, Cliff Curtis

Stab:
Regie: Wayne Kramer
Drehbuch: Wayne Kramer

Kinostart: 25.06.09

[ Paul Salisbury ] Paul mag vor allem Filme, die von einem Genre ausgehen und bei etwas Neuem ankommen. Dabei steht er vor allem auf Gangsterfilme, Western, Satire und Thriller, gern aus der Hand von Billy Wilder, Sam Peckinpah, Steven Soderbergh, Jim Jarmusch, den Coen-Brüdern oder Paul Thomas Anderson. Zu Pauls All-Time-Favs gehören DIE GLORREICHEN SIEBEN, TAXI DRIVER, ASPHALT COWBOY, SUNSET BOULEVARD, POINT BLANK ...