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Das Leben, das ich immer wollte

Liebe zwischen Film und Alltag

In Geschichten, die am Set spielen, kommt es früher oder später zu einer Verdrehung der Gefühle. Der Film als eine falsche Wirklichkeit, vielmehr das Filmgeschäft mit seiner ständigen Anbiederei hat die Menschen in seiner Hand und verfälscht ihr persönliches Handeln. Bei Giuseppe Piccioni ist dies allenfalls ein Teil der Wahrheit, oder er ist einfach schon einen Schritt weiter. Die Gefühle, die hier sehr untergründig und eher leise brodeln, sagen weniger über die schon oft sezierten Mechanismen der großen Filmproduktionen aus als über die Ziellosigkeit und Einsamkeit der Menschen.

Piccioni erzählt eine Liebesgeschichte zwischen zwei Schauspielern. Stefano und Laura begegnen sich beim Casting für ein historisches Liebesdrama. Er ist der Star. Inzwischen müde vom Geschäft bewahrt er eine schützende Distanz gegenüber seiner Umwelt, die ihn allerdings auch zu einem gefühllosen Menschen gemacht hat. Spielen heißt für ihn Beherrschung. Sie steht noch am Anfang, zweifelt an ihrer Berufung und ist ungeübt auf dem gesellschaftlichen Parkett. Spielsituationen bewältigt sie emotional. Kurzum: Die beiden ziehen sich an. Aus dem Filmpaar wird hinter den Kulissen ein wirkliches, das mit dem Verlauf der Dreharbeiten durch Höhen und Tiefen geht, während Spiel und Leben sich auf immer neue Weise durchdringen.

Ebenso beherrscht wie Stefano geht der Film ans Werk, zeigt zunächst über Minuten das Casting mit Laura und entwickelt dann ganz langsam, übrigens keineswegs humorlos, die Konfliktsituationen zwischen übersteigerter Eifersucht und verletzter Eitelkeit. Auf elegante und unaufdringliche Weise spiegelt aber genau das die kühle Unverbindlichkeit wider, welche diese Liebe an der Oberfläche bestimmt. Und so ist es zwar zeitweise schwierig, die Leidenschaft zwischen den beiden zu verstehen, um so mehr gelingt es jedoch, daß der Film im Film, obwohl eine ziemliche Kostümschmonzette, zunehmend zum emotionalen Ausdruck dessen wird, was die Protagonisten in ihrem eher stumpfen Alltag nicht sagen können.

Vielleicht liegen Film und Wirklichkeit doch näher beieinander als man denkt. Piccionis Doppelbödigkeit ist aber auf alle Fälle stets maßvoll, sein Film ein stilles komplexes Liebesdrama, mit ein wenig Muße zu betrachten.

Originaltitel: LA VITA CHE VORREI

I 2004, 124 min
Verleih: Schwarz-Weiß

Genre: Poesie, Liebe

Darsteller: Luigi Lo Cascio, Sandra Ceccarelli

Regie: Giuseppe Piccioni

Kinostart: 26.10.06

[ Lars Meyer ] Im Zweifelsfall mag Lars lieber alte Filme. Seine persönlichen Klassiker: Filme von Jean-Luc Godard, Francois Truffaut, Woody Allen, Billy Wilder, Buster Keaton, Sergio Leone und diverse Western. Und zu den „Neuen“ gehören Filme von Kim Ki-Duk, Paul Thomas Anderson, Laurent Cantet, Ulrich Seidl, überhaupt Österreichisches und Skandinavisches, außerdem Dokfilme, die mit Bildern arbeiten statt mit Kommentaren. Filme zwischen den Genres. Und ganz viel mehr ...