D 2012, 98 min
FSK 12
Verleih: Universum

Genre: Drama

Darsteller: Katja Riemann, Sebastian Koch, Sylvester Groth, Barbara Auer, Robert Gwisdek, Tobias Moretti, Elisa Schlott

Regie: Nina Grosse

Kinostart: 11.04.13

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Das Wochenende

Von alter Schuld und moderner Anpassung

So klassisch: Wo Familie zusammenkommt, da kracht es gehörig im Gebälk, da verläßt so mancher Verwandte wutschnaubend, fußstampfend oder tränenüberströmt den Ort der sippenartigen Zusammenkunft. Warum? Nun, Freunde kann man sich aussuchen ... Ausreichend genug wurde das Zusammentreffen von Familie als Introduktion zu einem komischen Stoff genutzt, das macht Nina Grosse nicht, was gut so ist, und wie es auch die erste Szene verrät: Inga erhält einen Anruf, das Lachen fällt ihr in die Pfütze, die Schultern ziehen nach – einfach groß, wie Katja Riemann das spielt! Der Zuschauer wird auf die Folter gespannt, erst wenn weitere Figuren eingeführt und soziale Grobskizzierungen erfolgt sind, erfahren wir: Jens kommt raus. Aus dem Knast. Es soll ein Abendessen geben im Hause seiner Schwester.

Es ist dieses scheibchenweise Erzählen, was den Reiz des Films ausmacht, weil es Fragen aufwirft. Wie lange war er im Knast? Wofür eigentlich? Daß es eine lange Zeit war, sehen wir am spärlichen Gepäck bei Jens’ Entlassung. Steinalte „Spiegel“-Exemplare, ein paar Deutschmark, kein Handy. Inge und Mann fahren nach Zerlow aufs Gehöft von Tina, die ihren Bruder aus dem Gefängnis abgeholt hat. Die Stimmung ist angespannt, die Gesprächsthemen von kühler Vorsicht, ein Weggucken und Rantasten. Bis Henner ein Geschenk für Jens auspackt: ein Motto-T-Shirt mit Terroristenfahndungsbildchen auf der Brust. Jens war also nicht wegen geklauter Kirschen 18 Jahre im Knast. Und hier entlädt sich am Essenstisch ein Gewittersturm aus alten Konflikten und neuen Vorwürfen.

Nina Grosse macht das schon gut, dieses Hinterfragen von Schuld und Anpassung, das Bebildern von Gefühlslagen zwischen kompletter Entfremdung, nie versandeten Gefühlen und unverhohlener Verachtung. Es entsteht ein über Strecken interessantes Besserer-Mensch-Fragespiel. Und doch bleibt der Zuschauer, trotz der herausragenden Schauspielerleistungen, ein wenig der staunende Gast am Gartenzaun. Es liegt an den Figuren: Allesamt Charakterköpfe, allesamt große Egozentriker. Da entstehen keine Sympathien für Menschen, die oft jede Verantwortung weiterdelegieren. Da bleibt Grosse schon konsequent.

Und doch: Wenn Ozon das gemacht hätte, wäre Humor dabei gewesen, den es als Bruch bei diesen Wohlstandsvertretern (Jens mal ausgenommen) eigentlich braucht. Oder besser noch: Wenn Petzold das gemacht hätte, dann wären auch am Ende noch interessante Fragen geblieben.

[ Michael Eckhardt ] Michael mag Filme, denen man das schlagende Herz seiner Macher auch ansieht. Daher sind unter den Filmemachern seine Favoriten Pedro Almodóvar, Xavier Dolan, François Ozon, Patrice Leconte, Luis Buñuel, John Waters, François Truffaut, Pier Paolo Pasolini, Ingmar Bergman. Er mag aber auch Woody Allen, Michael Haneke, Hans Christian Schmid, Larry Clark, Gus Van Sant, Andreas Dresen, Tim Burton und Claude Chabrol ...
Bei den Darstellern stehen ganz weit oben in Michaels Gunst: Romy Schneider, Julianne Moore, Penélope Cruz, Gerard Depardieu, Kate Winslet, Jean Gabin, Valeria Bruni-Tedeschi, Vincent Cassel, Margherita Buy, Catherine Deneuve, Isabelle Huppert ...
Eine große Leidenschaft hat Michael außerdem und ganz allgemein für den französischen Film.