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Der Architekt

Großes Solo und viel Schnee

Er ist ein Kerl von einem Mann. Harsch und dominierend. Diplomatisch muß er lange schon nicht mehr sein. Sympathisch und umgänglich auch nicht. Es sind solche Typen, die im deutschen Gegenwartskino keiner so gut ausfüllt wie Josef Bierbichler. Prädestiniert ist der für Männer, die an ihrer eigenen Stärke zerbrechen, für diese barocken Figuren, die auf den ersten Blick kraftvoll bis brutal scheinen und sich auf den zweiten als zärtlichkeitshungrige und liebessehnsüchtige Untergangsgeweihte entpuppen.

Auch Georg Winter ist so einer. Ein erfolgreicher Architekt in Hamburg, den der Tod der Mutter zurück in die alte Heimat zwingt. So begibt er sich mit Frau, Tochter und Sohn zur Beerdigung ins abgelegene Alpendorf. Schnell soll es gehen, denn der Ort der Kindheit und Jugend ist Winter verhaßt. Doch das Schicksal hat anderes vor. Eine Lawine schneidet das Dorf von der Außenwelt ab, und Georg trifft seine Jugendliebe Hannah und deren Sohn wieder. Eine Begegnung mit Folgen. Die Konfrontation mit der Vergangenheit sorgt für Eruptionen, bei denen der Ballast angehäufter Lebenslügen selbst zur Lawine wird, die Winter und seine Familie zu begraben droht.

Es gab einmal eine Zeit, da wäre ein Film wie DER ARCHITKET als wuchtiges und wahrscheinlich auch etwas arg pathetisches Heimatfilm-Melodram dahergekommen. Heute dreht sowas keiner mehr. Und ja, sieht man Ina Weisses Regiedebüt, kann man das durchaus auch wieder mal beklagen.

Der Dramatiker Heiner Müller bemerkte einmal, daß in Theater und Film vor lauter Humanismus und Aufgeklärtheit, vor lauter Bedürfnis nach Erkenntnis, der Lustgewinn daran verloren gegangen sei, jemandem beim Untergehen zuzusehen. Das Kathartische ist dem Psychologischen geopfert, das Tragische der Ratio. DER ARCHITEKT zeigt schön, was das meint. Es ist Ina Weisse sicher nicht vorzuwerfen, daß sie psychologisch erzählen will. Nur wenn Erzählen zu oft mit Erklären verwechselt wird, höhlt das die Geschichte aus, weil es ihr das Rätsel – oder etwas pathetischer formuliert – das Schicksalshafte nimmt. Eine Gefahr, die auch in DER ARCHITEKT umgeht.

Doch ist da ja noch Bierbichler. Als dunkler Koloß in weißer Landschaft, der die Tragik seiner Figur, auch in ihrer Lächerlichkeit, souverän ausspielt. Der das ganze Scheitern eines Lebens und dessen Verglimmen in einen Gesichtsausdruck packt. Schauspiel eines Untergangs von höchstem Lustgewinn.

D 2008, 93 min
Verleih: Neue Visionen

Genre: Drama

Darsteller: Josef Bierbichler, Hilde van Mieghem, Matthias Schweighöfer, Sandra Hüller, Sophie Rois

Regie: Ina Weisse

Kinostart: 12.03.09

[ Steffen Georgi ] Steffen mag unangefochten seit frühen Kindertagen amerikanische (also echte) Western, das „reine“ Kino eines Anthony Mann, Howard Hawks und John Ford, dessen THE SEARCHERS nicht nur der schönste Western, sondern für ihn vielleicht der schönste Film überhaupt ist. Steffen meint: Die stete Euphorie, etwa bei Melville, Godard, Antonioni oder Cassavetes, Scorsese, Eastwood, Mallick oder Takeshi Kitano, Johnny To, Hou Hsia Hsien ... konnte die alten staubigen Männer nie wirklich aus dem Sattel hauen.