Originaltitel: UMAMI

J/F 2022, 107 min
FSK 6
Verleih: Neue Visionen

Genre: Tragikomödie, Poesie

Darsteller: Gérard Depardieu, Pierre Richard, Sandrine Bonnaire, Kyozo Nagatsuka, Rod Paradot

Regie: Slony Sow

Kinostart: 09.02.23

5 Bewertungen

Der Geschmack der kleinen Dinge

Natürlich würzen mit Depardieu

Es sind ja oft tatsächlich die titelgebenden kleinen Dinge, denen man zu wenig Aufmerksamkeit schenkt. Oder analog Menschen, die undankbare Nebenparts spielen, sich sozusagen eher weggucken, obwohl sie eigentlich für Hauptrollen geeignet wären. Real kann das einiges Glück verhindern, auf der Leinwand manches mimische Kabinettstück schmälern. Auftritt Sandrine Bonnaire alias Louise, Frau des Starkochs Gabriel.

Unschwer zu erahnen ziemliche Staffage, die letzte Geige hinten links. Eine erschreckend dürre (den Gatten strafende Nahrungsverweigerung?) Verbitterte, streng gescheitelte Eisblickkönigin und dazu offene Ehebrecherin. Quasi aus emotionaler Notwehr, schließlich hat Gabriel nur seinen Beruf im Kopf. Jener gehört Gérard Depardieu, zeigt ergo relevante Dickschädeligkeit. Ach so, Pierre Richard huscht auch gelegentlich durchs Bild, allerdings gleichfalls frei von bedeutender Funktion, daher zurück zum Gourmetbrater, den nun ein Herzinfarkt niederstreckt. Grund genug, auszeittechnisch gen Japan zu reisen, um das Geheimnis Umamis zu enthüllen, der fünften Geschmacksrichtung.

Was folgt, ist ein hinlänglich lecker abgeschmeckter, aber manchmal doch zu mild gewürzter Mix der vier Kolleginnen süß, sauer, salzig und bitter, angenehme Hausmannskost ohne ausgeflippte Kombinationen oder – trotz des Trips in fremde Gefilde – unbekannte Ingredienzien, derweil es an Zutaten kaum mangelt: Während Gabriel seinen massiven Leib in irritierend enge Schlafkojen bzw. überfüllte Fahrstühle wuchtet, muß daheim sein als unfähig abgestempelter Sohn einspringen, einer einflußreichen Food-Influencerin statt beiderseitiger Henkersmahlzeit das Festessen ihres Lebens servieren. Ob er’s schafft? Unser Arbeitstier hingegen leidet in der Ferne teilweise herrlich witzig unter ungewohnter Höflichkeit und sucht einen ehemaligen Konkurrenten, dessen Kioskküche Gabriels Freßtempel ganz locker abhängt. Wird er ihn finden? Und wir hätten da noch des Ex-Feindes Tochter, psychisch heftig verletzt, jeder Freude abgewandt. Beginnt die Seele irgendwann zu heilen?

Rhetorische Fragen allesamt, wer Gutfühlen mit melancholischem Hauch bestellt hat, bekommt eine satte Portion, Nachschlag ebenso inklusive wie Depardieus erwartbar großartig-raumfüllende Präsenz. Praktisch ein natürlicher Geschmacksverstärker – Umami halt.

[ Frank Blessin ] Frank mag Trash, Grenzgängerisches und Filme, in denen gar nicht viel passiert, weil menschliche Befindlichkeiten Thema sind. Russ Meyer steht deshalb fast so hoch im Kurs wie Krzysztof Kieslowski. Frank kann außerdem GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN mitsprechen und wird IM GLASKÄFIG nie vergessen ...