Originaltitel: LAS HEREDERAS

Paraguay/Uruguay/D/Brasilien/Norwegen/F 2018, 95 min
FSK 0
Verleih: Grandfilm

Genre: Drama

Darsteller: Ana Brun, Margarita Irún, Ana Ivanova, Nilda Gonzalez

Regie: Marcelo Martinessi

Kinostart: 06.12.18

Noch keine Bewertung

Die Erbinnen

Befreiung aus der Enge

Durch einen schmalen Türspalt lunzt Chela in ihr Wohnzimmer, wo ihre Lebensgefährtin Chiqui einer Kaufinteressentin gerade die Kristallgläser anpreist. Dieser Spalt ist so eng wie ihre Welt, die sich meist auf das ehemals prächtige Haus beschränkt. Es ist mit seinen Besitzerinnen in die Jahre gekommen, ein verstimmtes Klavier und Wasserflecken an der Decke künden vom fortschreitenden Verfall. Im Laufe des Films wird sich der Türspalt allmählich weiten, Chela wird mehr Licht und Leben zulassen.

Doch zunächst kommt die lebhafte Chiqui wegen unbezahlter Schulden ein paar Wochen ins Gefängnis. Für die introvertierte Chela war sie zugleich Stütze und Bevormunderin. Trotz der finanziellen Schwierigkeiten besteht die mädchenhafte Frau nach wie vor auf einem Dienstmädchen und dem gewohnten kleinen Luxus. Sie ist eine ehemals höhere Tochter, die sozusagen qua Geburt auf der Sonnenseite stand und nun unter den geänderten Verhältnissen ins Leere zu fallen droht. Auch wenn DIE ERBINNEN nichts über die Vergangenheit seiner Figuren erzählt, so scheinen sie ihr Leben in gepflegter Langeweile innerhalb eines kleinen Kreises Gleichgesinnter verbracht zu haben. 

Dieses innere Abschotten der Figuren ist gleichzeitig eine Parabel auf die erstickenden politischen Verhältnisse in Paraguay. Die über drei Jahrzehnte währende Herrschaft des Diktators Alfredo Stroessner hatte sich von den 50ern bis in die späten 80er Jahre wie eine bleierne Decke über das Land gelegt, die es bis heute nicht komplett abgeworfen hat. Das hatte auch Auswirkungen auf die Filmproduktion: Es wurde lange Zeit so gut wie nicht gedreht. Erst seit rund 20 Jahren entstehen überhaupt wieder regelmäßig Filme. Dabei gibt es im ganzen Land ohnehin nur um die 50 Kinoleinwände. Vor diesem Hintergrund erhält der Silberne Berlinale-Bär für Hauptdarstellerin Ana Brun umso mehr Gewicht. 

Während Paraguay noch mit seiner Vergangenheit ringt, erlaubt Regisseur Marcelo Martinessi seiner stillen Heldin einen zwar zögerlichen, aber doch beharrlichen Aufbruch. Als Chiqui im Gefängnis sitzt, bittet eine schrullige Nachbarin Chela um einen Fahrdienst. Obwohl sie gar keinen Führerschein hat, chauffiert sie bald regelmäßig die Damen der Nachbarschaft in ihrem alten Mercedes. Auf diese Weise tritt auch die sinnliche Angy in Chelas Leben und erweckt in ihr ein längst verschüttet geglaubtes Begehren. Danach ist nichts mehr, wie es so lange Zeit war.

[ Dörthe Gromes ]