Originaltitel: HEOJIL KYOLSHIM

Südkorea 2022, 138 min
FSK 16
Verleih: Plaion

Genre: Thriller, Liebe

Darsteller: Tang Wei, Park Hae-il, Lee Jung-hyun, Go Kyung-pyo, Park Yong-woo

Regie: Park Chan-wook

Kinostart: 02.02.23

3 Bewertungen

Die Frau im Nebel

Bildertrunkene Abgründe, etwas grob erforscht

Sie trägt das Haar in Kaskaden ungebändigter Locken (logisch, es hätte ja kaum Effekt, Bubiköpfe oder festgetackerte Hochsteckfrisuren zurückzuwerfen). Omnipräsenter Zigarettenqualm umrahmt ihr edles Antlitz, gerät nie in bloß halb geöffnete Augen, aus denen es immer funkelt, manchmal blitzt. Und dann diese Stimme; ähnlich muß die Schlange im Garten Eden gezischelt haben!

So ungefähr stellten sich auch Film-noir-Regisseure die Femme fatale vor, welche spielerisch unglückselige Ermittler verdarb. Meister Park Chan-wook dreht indes einmal kräftig an der Charakterschraube und nordet seine Hauptfigur Richtung Femme fragile. Daraus schlüpft eine faszinierende Chimäre, eine Sirene von nebenan namens Seo-rae, aus China nach Südkorea geflohen, Ehefrau eines – pardon – Arschlochs. Jetzt Ex. Denn der Gatte liegt zerschmettert am Bergfuß, Seo-rae scheint darob verdächtig unberührt, kann aber ein Alibi vorweisen. Kommissar Hae-joon, schlaflosigkeitsgeplagt, übernimmt die Ermittlungen und verstrickt sich bald. Im Netz der jungen Schwarzen Witwe? Oder anderweitig gesponnenen Fäden? Es sei angekündigt: Tod Nummer 2 folgt …

Wenn Augen und Ohren praktisch überlaufen, hat Park wieder alles gegeben, dafür berechtigt den Regie-Preis in Cannes genommen. Er läßt Dissonanzen los, arbeitet mit Geräuschen, akustischen Dopplungen und mit Stille, wo sie einfach hingehört, während Schnee nahezu waagerecht fällt, sich der Schnitt als Kunstform beweist, Spiegelungen zunächst optisch verblüffen, um sich anschließend direkt regelrecht einzubrennen. Allerdings – und hier bleibt der Mann Teilen seines Œuvre ebenfalls treu – wünschte man zwischendrin mehr Mut zur entfernten Szene, etwas weniger lockere Zügel; unbezweifelter, geradezu lehrbuchhafter audiovisueller Brillanz stehen Leerräume gegenüber, Dehnungen im Handlungsschritt. Zumal sein Thrillerplot Park irgendwann nur noch am Rande interessiert, er ihn recht flüchtig aufdröselt, der Liebesgeschichte Vorfahrt gewährt.

Was jedoch zum erhofft grandiosen Finale führt, angesichts dessen brachialer Wucht man emotional ungebremst ins abgründige Nichts herabdonnert. Ein Paukenschlag ohne faulig stinkende OLDBOY-Happy-End-Verhöhnung, garstige DIE TASCHENDIEBIN-Gewaltspitzen, mythische DURST-Erlösung. Sondern beiläufig schrecklich, konsequent radikal und grauenhaft schön.

[ Frank Blessin ] Frank mag Trash, Grenzgängerisches und Filme, in denen gar nicht viel passiert, weil menschliche Befindlichkeiten Thema sind. Russ Meyer steht deshalb fast so hoch im Kurs wie Krzysztof Kieslowski. Frank kann außerdem GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN mitsprechen und wird IM GLASKÄFIG nie vergessen ...