Originaltitel: EN FANFARE
F 2024, 103 min
FSK 12
Verleih: Neue Visionen
Genre: Tragikomödie
Darsteller: Benjamin Lavernhe, Pierre Lottin, Sarah Suco, Jacques Bonnaffé
Regie: Emmanuel Courcol
Kinostart: 26.12.24
Auf UN TRIOMPHE, der hierzulande EIN TRIUMPH hieß, folgt jetzt also EN FANFARE: Regisseur Emmanuel Courcol schätzt seine Filmtitel, unabhängig von zum Pomp tendierenden deutschen Übertragungen, knackig. Sehr, sehr deutlich, vielleicht laut. Und trotzdem voller anziehenden Wohlklangs. Sämtlich Attribute auch der dazugehörigen Werke.
So geht’s denn gleich zügig los, Stardirigent Thibaut fällt vom Pult, wortwörtlich, und erfährt zwei Dinge: Er hat einerseits Leu-kämie und andererseits einen bislang unbekannten Bruder, wegen Adoption. Zwecks Knochenmarkspende wird Kantinenmitarbeiter Jimmy nun kontaktiert, die Freude über dessen neues Familienmitglied hält sich vorerst in engen Grenzen, aber natürlich lernen sich die beiden nicht bloß kennen, sondern ungeachtet aller trennenden Charakterzüge – derer es eine recht überwältigende Vielzahl gibt – sukzessive mögen; geteilter Hang zur Musik richtet’s.
Courcol versucht gar nicht erst, durch Handlungsüberraschungen oder Dezenz zu punkten, was gesagt werden mag, wird ausgesprochen, Gefühle kann man ruhig ungeschirmt sehen oder hören. Der Erfolg nickt ihm freundlich zu, Anfang November drängten sich vier Publikumspreise (darunter in San Sebastián) auf dem güldenen Sims. Verständlich, unter Eindeutigkeiten blitzt doch immer Echtes, Facetten ahnen Lassendes, etwa Jimmys schon Bitterkeit verhüllender Realismus, eine den sprichwörtlichen weichen Kern ummantelnde harte Schale, zu deren Bruch fortan rauhe Herzlichkeit antritt, während ein grandioser akustischer Rahmen aus Mozart, Beethoven, Ravel oder Mahler ins Ohr dringt.
Wenn knappes „Wir brauchen Dich hier!“ als lodernde Liebeserklärung daherkommt, nicht jede Szene zu Ende erzählt werden muß – schwer memorabel die Reaktion von Thibauts Adoptivmutter auf seine Anklage ihr gegenüber – und das Schicksal zur Gnadenlosigkeit neigt, verdient sich Courcol einigen Respekt. Und verspielt ihn, wie bei EIN TRIUMPH, im Finale fast wieder, der klebrige „O Captain! Mein Captain!“-Moment bekleckert es mit manchem, nur nicht Ruhm. Daß dennoch große Berührung wuchtig aufs Gemüt schlägt, ist Benjamin „Thibaut“ Lavernhe zu verdanken. Ehrliche Ergriffenheit, totale Hingabe, zur langfristigen Erinnerung taugendes Lächeln vor wahrhaftigen Tränen: Unmöglich zu bestimmen, wo stupende Schauspielkunst endet und persönliche Einfühlung in die Rolle beginnt.
[ Frank Blessin ] Frank mag Trash, Grenzgängerisches und Filme, in denen gar nicht viel passiert, weil menschliche Befindlichkeiten Thema sind. Russ Meyer steht deshalb fast so hoch im Kurs wie Krzysztof Kieslowski. Frank kann außerdem GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN mitsprechen und wird IM GLASKÄFIG nie vergessen ...