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Ein Mensch wie Dieter

Neuestes Puzzle der Langzeitdoku

Der sechzehnte Golzow-Film beginnt exotisch - mit einer Grußpostkarte aus Libyen. Sie stammt von Dieter, dem semmelblonden Jungen, der zu Beginn der Dreharbeiten 1961 die erste Klasse schon zum zweiten Mal besuchte. Ein Golzower Kind hat die große weite Welt erobert?

Den Ältesten einer kinderreichen Familie hat schon früh das Fernweh gepackt. Sein größter Traum: reisen, am liebsten nach Brasilien, denn da gibt es bunte Vögel. Wie seiner zeit-

weiligen Banknachbarin Brigitte, deren Geschichte der letzte Teil der Golzow-Reihe erzählte, müssen auch ihm acht Schuljahre reichen. Er lernt Zimmermann. Doch der Umgang mit Holz, der ihm den Beruf vor allem sympathisch machte, wird ihm später nur selten vergönnt sein. Statt dessen: Beton.

Nach der Lehre geht er zur Armee. Hier wird er Pioniertaucher und träumt sich wieder in die Ferne: nach Minen tauchen in Vietnam, Matrose werden bei der Handelsschiffahrt. Doch die Träume werden wieder aufgeschoben. Dieter heiratet, zieht in die Stadt. Seine ersten zwei Kinder werden geboren. Eine größere Wohnung muß her.

Als schließlich das dritte Kind unterwegs ist, wird Dieters Bewerbung um eine Arbeit im Ausland angenommen. Für fast ein Jahr geht er nach Libyen, um beim Bau eines Getreidesilos mitzuhelfen. Doch seine Reise in das exotische Land hält nicht, was sie versprach. Später wird ihn am meisten beeindrucken, daß es das Kamerateam schaffte, ihm bis ans Mittelmeer zu folgen. Die Wende beschert Dieter einen neuen Traum: den von der beruflichen Selbständigkeit.

Was ist er denn nun für ein Mensch, dieser Sitzenbleiber? Weit in die Welt hat es ihn getrieben, weiter wohl, als jeden seiner ehemaligen Klassenkameraden. Doch immer wieder siegt die Bodenhaftung und er kehrt zurück in das Land, das er liebt, zur Familie, die er braucht.

Alte und neue Filmaufnahmen schlagen die Brücke zwischen Kinderträumen und erwachsener Wirklichkeit. Die jugendliche Sehnsucht trifft auf pragmatische Lebensbewältigung. Herausforderungen, Rückschläge, Hoffnungen. Der Wechsel von widrigen und günstigen Umständen bleibt sich gleich - ob in Libyen oder in der DDR. Jetzt lebt Dieter mit seiner Familie im Eigenheim im Oderbruch.

D 1999, 122 min
Verleih: Progress

Genre: Dokumentation

Regie: Barbara & Winfried Junge

Kinostart: 10.03.00

[ Sylvia Görke ]