Originaltitel: ELEGY

USA 2008, 108 min
FSK 12
Verleih: Tobis

Genre: Drama, Liebe, Literaturverfilmung

Darsteller: Penélope Cruz, Ben Kingsley, Patricia Clarkson, Peter Sarsgaard, Dennis Hopper

Regie: Isabel Coixet

Kinostart: 14.08.08

5 Bewertungen

Elegy oder Die Kunst zu lieben

Tiefberührende Ballade über die Liebe und das Scheitern aus Furcht

Mit Verlaub, der Appendix im Titel führt ein wenig in die Irre. Er scheint zu konstruktivistisch, zu verräterisch intellektuell, fast akrobatisch - geht es doch in Isabel Coixets faszinierenden Film um etwas Geerdetes, um eine Liebe, eine überlebensgroße, tragische, herrlich verrückte Liebe. Die zwischen der anmutigen Consuela und dem markanten David nämlich.

Eine Liebe, die zwei Ansätze hat: bei David Kepesh, dem Literatur-Professor, war es der ihm ureigene Beutetrieb, der ihn an die dunkelhaarige Frau brachte. Eine bei ihm recht routiniert durchexerzierte und ziemlich plumpe Geilheit, die dann auch etwas Altväterliches zu Beginn mit sich bringt, wie das Erklären von Kunst, das Beschreiben von bereits lange vor dem erlegten Biest Erlebten. Bei Consuela, der aufmerksamen und glutäugigen Studentin, ist es indes kein töchterliches Staunen, es ist echtes Interesse an Kepesh, an dem Menschen David, zu dem wie in diesem Fall der entsprechende Hintergrund wie Bildung, Charme und ein etwas zynischer Humor gehören. Und ein charismatisches Äußeres natürlich auch, denn immerhin wird Kepesh von Ben Kingsley gespielt. Und die Schöne, die reine Seele, das Charakterwesen, das wunderbarerweise so gar nicht zum Spielball genügen will, kann nur von Penélope Cruz gegeben werden, die von Film zu Film zu einer fast anrührenden, nicht ganz irdischen Schönheit erwächst.

Daß bei einer Figur wie Kepesh, der angesehenen Koryphäe der Literaturkritik, stets das Drama am Laken kratzt, ist klar, da David doch einer ist, der schon immer anfällig für Schönheit war, dem beim Squash mit seinem alternden Kollegen George bewußt wird - und er darauf mit hartem Schlag entsprechend reagiert, daß das Alter sich anschleicht, ohne daß man es merkt und beide ab jetzt nur noch die alten Männer sein werden, die jungen Frauen etwas Kultur geben. Kurzum: es ist die Furcht einsamer Menschen vor der eigenen Unzulänglichkeit. Das macht Typen wie Kepesh zu Spitzenrhetorikern und Liebesversagern. Daran wird auch die Beziehung zu Consuela scheitern, die viel reifer, viel stärker als David ist. Sie stellt Bedingungen, die der Narr nicht zu erfüllen in der Lage ist. Und: eine Frau wie Consuela hat einfach einen Anspruch auf Bedingungen. Das Leben wird ihr ohnehin früh genug seine manchmal häßliche Fratze zeigen ...

Wie traurig diese Augen schauen können, wie dickflüssig die Tränen über den kleinen, so attraktiven Schönheitsmakel unter dem linken Auge der Cruz fließen können, wie wohlüberlegt, wie beherrscht, wie Gänsehaut erzeugend das "Yes" ihr über die sinnlichen Lippen kommt, als Kepesh sie erstmals zum Theater einlädt - keine Frage, die Cruz hat den Film in der Hand. Auch wenn Coixet - die erstmals nicht auf übergroße Metaphern eines schwierigen Lebens setzt und dennoch und vielleicht viel genauer berührt - begabt genug ist, kleinere Elemente einer glaubwürdigen Geschichte einzuflechten: bei Kepesh ist es das schwierige Verhältnis zu seinem erwachsenen Sohn, bei George eine wie aus dem Himmel schlagende Katastrophe, bei Consuela der raumfüllende Stolz der Tochter eines Kubaners. ELEGY ist die Geschichte einer zerstörerischen Eifersucht, weil Kepesh ein Feigling, ein schwacher Mann und dessen Lieblingswort "maybe" ist, einer, der sich zu spät fragt, wem er eigentlich etwas vormacht. Es ist die Geschichte einer prickelnden Erotik zwischen zwei sich liebenden Menschen, was nicht zwangsläufig im Glück endet. Wahrscheinlich funktionieren Paare besser, die sich eine Dosis vom - aus lyrischer Sicht - liebestötenden "Egal" leisten. Das aber kann es hier nicht geben.

Und so stockt einem das Herz - ähnlich, wenn auch bei anderer Temperatur, wie beim bereits erwähnten "Yes" - wenn Kepesh mit der Kingsleyschen Shakespeare-Stimme ins Off flüstert "She Never Called Again ..." Und dann leidet der Professor unter Consuela wie einst Kafka unter der lebenstüchtigen Milena. Kafkas Brief präsentierte David kürzlich noch der interessierten Studentin. Ein schöner Querverweis.

[ Michael Eckhardt ] Michael mag Filme, denen man das schlagende Herz seiner Macher auch ansieht. Daher sind unter den Filmemachern seine Favoriten Pedro Almodóvar, Xavier Dolan, François Ozon, Patrice Leconte, Luis Buñuel, John Waters, François Truffaut, Pier Paolo Pasolini, Ingmar Bergman. Er mag aber auch Woody Allen, Michael Haneke, Hans Christian Schmid, Larry Clark, Gus Van Sant, Andreas Dresen, Tim Burton und Claude Chabrol ...
Bei den Darstellern stehen ganz weit oben in Michaels Gunst: Romy Schneider, Julianne Moore, Penélope Cruz, Gerard Depardieu, Kate Winslet, Jean Gabin, Valeria Bruni-Tedeschi, Vincent Cassel, Margherita Buy, Catherine Deneuve, Isabelle Huppert ...
Eine große Leidenschaft hat Michael außerdem und ganz allgemein für den französischen Film.