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Fernes Land

Kreuzende Parallelwelten

Wer war eigentlich schon mal im Dong Xuan Center im Leipziger Norden? Mark offenbar nicht. Fasziniert und irritiert zugleich steht er plötzlich in dieser Welt voller exotisch anmutender Lebensmittel, Kleidung, Plastikblumen und Elektroniknippes, von deren Existenz in seiner Stadt er bis dahin keine Ahnung hatte. Hier gilt er plötzlich als „der Weiße“, die Minderheit, die draußen vor den Centertoren die Mehrheit stellt. Es ist eine der schönsten Szenen aus Kanwal Sethis Spielfilmdebüt FERNES LAND, das zum Großteil in Leipzig gedreht und auch hier produziert wurde.

Der Film erzählt die Geschichte der unverhofften Begegnung zweier Männer, wie sie gegensätzlicher kaum sein könnten. Mark, der untersetzte Deutsche, führt ein ruhiges Leben als Versicherungsvertreter, wäre ihm nicht gerade die langjährige Freundin abhanden gekommen. Der agile Pakistani Haroon dagegen schlägt sich illegal durch Deutschland und hat Ärger mit einem fiesen Mafioso-Typen, der ihn um seinen Arbeitslohn prellt. In einer turbulenten Winternacht werden aus Fremden Freunde, die entdecken, daß ihre Träume so verschieden nicht sind.

Diese Begegnung hat Charme, in einigen Momenten erinnert der Film an Stephen Frears’ MEIN WUNDERBARER WASCHSALON. Regisseur Sethi, der selbst vor 20 Jahren aus Indien nach Deutschland kam, hat einen genauen Blick für die Spannung, die sich aus dem Zusammentreffen beider Welten ergibt. Er setzt sie in detailreichen, sinnlichen Bildern mit einer Prise Humor in Szene. Etwa, wenn Haroon und Mark in einem üppig dekorierten Kleintransporter voller Hammelfleisch bei voll aufgedrehter Pakistani-Musik durch die Gegend gurken. Einige Szenen spielen auch im Asylbewerberheim, an einem Ort, wo die deutsche Gesellschaft nur ungern hinschaut.

Es hätte dem Film nicht geschadet, etwas Tempo und Fahrigkeit rauszunehmen und auf ein paar überraschende Wendungen und Ortswechsel zu verzichten. Bei der dichtgedrängten Fülle an Ereignissen geht der Faden der Geschichte mitunter verloren. Auch irritieren die für den Zuschauer zeitlich schwer einzuordnenden Rückblenden mehr, als sie nützen. Trotzdem ist FERNES LAND insgesamt ein durchaus sehenswertes Debüt und zudem eine Ermutigung, die Parallelwelten um uns herum wahrzunehmen.

D 2010, 91 min
FSK 12
Verleih: missingFILMs

Genre: Tragikomödie

Darsteller: Christoph Franken, Atta Yaqub, Karina Plachetka, Kulbhushan Kharbanda

Regie: Kanwal Sethi

Kinostart: 02.02.12

[ Dörthe Gromes ]