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Hallesche Kometen

Geteiltes Leid ist doppeltes Leid

Hinter Halle/Neustadt ist die Welt zu Ende, weggebrochen, platt gemacht. Und die Abrißbagger sind schon unterwegs. Ben ist das egal. Er wohnt im Plattenbau mit seinem Vater Karl, mehr Familie ist nicht. Die Mutter starb vor Jahren bei einem Autounfall, seitdem verläßt Karl kaum die Wohnung, hat keine Arbeit. Aus Trauer über den Verlust seiner geliebten Frau scheut er sich, selbst weiterzuleben. Die Sachen mit dem Arbeitsamt regelt Ben, so wie er alles regelt. Aber mit Mitte 20 sollte man Träume haben, da liegt einem die Welt zu Füßen. Und während draußen das Leben in den Neubaubeton sickert, träumt Ben von fernen Ländern. Seit er einst einen Wettbewerb gewann, in dem der beste Reisebericht gesucht wurde, schreibt er, berichtet von fiktiven Abenteuern in der weiten Welt. Und dann begegnet er ihr. Jana. Rätselhaft und offenherzig zugleich, ein Komet in Bens Leben - strahlend hell und nur auf Durchreise. Bald wird Jana nach Kanada gehen, und Ben wird bleiben, bei seinem Vater, beim Gelegenheitsjob, beim Traum von der großen Welt.

"Where Is My Mind?" fragen die Pixies auf der Tonspur und haben Recht. Eine Welt im Kopfstand - der Vater kann nicht mehr, der Sohn muß für zwei leben und arbeiten. Diese Konstellation ist nicht neu. HALLESCHE KOMETEN hat schlichtweg das Pech, daß im vergangenen Kinojahr in NETTO und DAS LÄCHELN DER TIEFSEEFISCHE bereits zweimal Vater und Sohn den Rollentausch probten. Möglicherweise ist aber das Spielfilmdebüt von Susanne Irina Zacharias der bessere Film. Ohne Zweifel sollte man Hanno Koffler im Auge behalten. Er spielt Ben, den Weltenbummler in Gedanken, mit Hingabe und Herzblut. Auch Peter Kurth verleiht Karl genug Würde, macht ihn nicht zum Loser. Wie Karl und Ben sich in den Zusammenhalt verbissen haben, der Trauer wegen den Stillstand akzeptieren, das bricht dem Zuschauer förmlich das Herz. Ben macht für seinen Vater Vorstellungsgespräche klar, läßt sich sogar auf halbseidene Geschäfte ein, um die Haushaltskasse zu füllen. Den Abschied kann er damit jedoch nur verzögern.

"Du mußt die ganze Hand nehmen!" belehrt Jana Ben über seinen zögerlichen Handgriff. Und meint damit vielleicht, daß er sein Leben am Schopfe packen sollte, weil es sonst ein anderer tut. Wie ein ungeschliffener Edelstein beginnt HALLESCHE KOMETEN erst nach und nach zu funkeln und entpuppt sich als kleiner Film mit einem großen Herzen.

D 2005, 83 min
Verleih: Zauberland

Genre: Erwachsenwerden, Liebe, Drama

Darsteller: Hanno Koffler, Peter Kurth

Regie: Susanne Irina Zacharias

Kinostart: 02.02.06

[ Roman Klink ]