D 2015, 109 min
FSK 12
Verleih: Wild Bunch

Genre: Drama

Darsteller: Peter Kurth, Lina Wendel, Lena Lauzemis, Edin Hasanovic, Reiner Schöne

Regie: Thomas Stuber

Kinostart: 17.03.16

43 Bewertungen

Herbert

Das Herz eines Boxers und die Kunst eines Schauspielers

Er ist ein Bulle von Kerl. Ein Stiernacken namens Herbert. Ein Ex-Boxer, der, das sieht man an jeder seiner Bewegungen, die alten Reflexe noch beherrscht. In seiner Heimatstadt, dem sächsischen Metropolchen, war er eine vielversprechende Nummer im Boxring. Einer, der Hoffnungen weckte, dem die Zukunft zu Füßen lag. Auf den die Welt zu warten schien. All das war Herbert.

Einst, wie gesagt. Die Zeit ging dahin und über Herbert hinweg. Die Welt, sie wartete eben nicht. Die große Hoffnung – ein leeres Versprechen. Inzwischen hält sich der ehemalige „Stolz von Leipzig“ als Trainer in irgendeinem Boxstall oder Geldeintreiber für den halbseidenen Bodo mehr schlecht als recht über Wasser. Ansonsten ist da nicht mehr viel. Abgesehen von dem hoffnungsvollen Schützling, den Herbert trainiert. Und von dem Traum, den er sich gemeinsam mit Kumpel Specht bald zu erfüllen gedenkt. Einmal mit einer Harley über die Route 66 gen Sonnenuntergang zu brettern.

Man muß diese Exposition zu Thomas Stubers Langfilmdebüt HERBERT mal etwas ausführlicher beschreiben, einfach, weil ihr gerade für deutsches Kino etwas Seltenes gelingt: das Umreißen einer Figur in knappen und prägnanten, fast genrefilmhaften Momenten. Ohne redundantes Gequatsche, ohne szenische Erklärungsmusterschnittbögen, darf dieser Herbert einfach sein, was und wie er ist. Halb großherzig, halb Kotzbrocken. Einer, der viel einstecken mußte. Und dem der härteste Kampf seines Lebens erst noch bevorsteht.

Denn HERBERT, dieser Film nach einer Vorlage des früheren PLAYER-Filmkritikers Paul Salisbury, erzählt davon, wie sein Titelheld vom Schicksal gewissermaßen endgültig auf die Bretter geschickt wird. Auf denen Herbert zwar schon oft landete, aber eben ohne K.O. zu gehen. ALS heißt die Krankheit, die genau das ändern wird. Was Herbert klar ist, als er die Diagnose bekommt. Den Kampf nimmt er dennoch auf. Die Zeit, die bleibt, gilt es zu nutzen. Für den Abschied von den letzten Träumen und Hoffnungen. Und für den Versuch, diesen und jenen begangenen Lebensfehler zu korrigieren.

Zeit, um von Peter Kurth zu reden. Als Herbert ist der Schauspieler schlicht ein Glücksfall. Und das nicht nur, weil er – um es mal mit der Phrase zu formulieren – „physisch ungeheuer präsent“ ist. Und das wiederum gerade auch dann, wenn diese „physische Präsenz“ der Stärke eines selbstbestimmten Menschen, dieses Kämpfers, der Herbert ist, sich ins Gegenteil verkehrt, in bitteren, schonungslosen Szenen des körperlichen Verfalls, die diese Krankheit mit sich bringt, und die dieser Film zeigt.

Was Kurth hier aber darüber hinaus tatsächlich unentbehrlich macht, ist sein Vermögen, innerhalb dieses Films gleichsam dessen Regulativ zu sein. Immer dann nämlich, wenn die Inszenierung aus dem Rhythmus kommt, und nach der starken Exposition passiert ihr das gelegentlich, tariert Kurth das aus. Bringt das Geschehen wieder in den Fluß, raus aus den Ecken und über die Runden. Geradezu tänzelnd zwischen Melodram und Nüchternheit. Mit voller Emotion zulangend, wenn es sein muß – oder sich eben auch mal zurücknehmend, in Deckung bleibend, wenn die Gefahr des Strauchelns ins Sentiment droht. Das ist beeindruckend und berührend.

[ Steffen Georgi ] Steffen mag unangefochten seit frühen Kindertagen amerikanische (also echte) Western, das „reine“ Kino eines Anthony Mann, Howard Hawks und John Ford, dessen THE SEARCHERS nicht nur der schönste Western, sondern für ihn vielleicht der schönste Film überhaupt ist. Steffen meint: Die stete Euphorie, etwa bei Melville, Godard, Antonioni oder Cassavetes, Scorsese, Eastwood, Mallick oder Takeshi Kitano, Johnny To, Hou Hsia Hsien ... konnte die alten staubigen Männer nie wirklich aus dem Sattel hauen.