D/Tschechien 2021, 126 min
FSK 12
Verleih: Pandora

Genre: Drama

Darsteller: Jannis Niewöhner, Luna Wedler, Milan Peschel

Regie: Christian Schwochow

Kinostart: 16.09.21

3 Bewertungen

Je suis Karl

... oder Die schönen Augen des Demagogen

Es gibt Liaisons, die gehören ungekündigt. Die von den Schwochows zum Beispiel, Heide und Christian. Klar, als Mutter und Sohn sowieso, aber auch als kongeniales Autorenduo. Und schon ist man beim Grübeln ... Was wäre aus JE SUIS KARL geworden, wenn Heide wie so oft bei Christians Filmen an Bord gewesen wäre? Hätte es ihr glücken können, diesen immensen Bogen, den JE SUIS KARL von einem Bomben-Anschlag auf ein Berliner Wohnhaus bis hin zur Machtergreifung der neuen Rechten in Europa schlagen will, tatsächlich zu schlagen, und damit den Film im besseren Sinne rund zu machen? Christian Schwochow, der Regisseur, hat sich anders entschieden, Thomas Wendrich schrieb das Buch, und Wendrich hat trotz mehrheitlicher TV-Arbeit zwar auch Kinoerfahrung, ihm liegt aber mehr das serielle Schreiben – und das fliegt diesem ambitionierten Film leider um die Ohren, weil in der verknappten Komplexität eines Kinofilms mit solch’ inhaltlicher (Über-)Fracht nicht zusammenfindet, was zusammengehört. Also Beginn, Mitte, Ende.

Der Einstieg ist stark, diese Gehörlosigkeit, die sich im Herzen fortführt, durch eine unglaubliche Explosion. Maxi verliert Mutter und Geschwister und findet Karl. Oder besser er sie, weil er nach ihr sucht, weil er die Trigger draufhat, die Sätze sowieso, weil er weiß, daß man darüber reden muß, was einem angst macht. Und reden kann dieser Karl, am besten vor Menschenmengen, die an die Hand genommen werden wollen. Seine rhetorischen Taschenspielertricks greifen auch bei Maxi, sie verkennt in ihrem Schutzbedürfnis, daß selbst ein Demagoge mit so hübschen Augen doch ein Demagoge bleibt. Ab der Mitte verliert der Film mit Maxi seinen Halt, hetzt durch Parolen, statt Stimmungen zu zeichnen, greift nach Schablonen, statt originär von heutiger Verführung durch Verunsicherung zu erzählen, irrlichtert zwischen Paris und Berlin, Prag und Straßburg.

Was dem Film anzurechnen ist: Er nimmt, und damit sind wir schon beim Ende, die aktuell eher hintergründig wahrzunehmende Bedrohung durch Rechts sehr ernst, das Überraschungsszenario einer Welle rechtsradikaler Gewalt bis zu einer möglichen Machtergreifung in Europa hat seine Harmlosigkeit als reines Spukgespenst durch die reale Möglichkeit längst verloren. Für JE SUIS KARL spricht neben den sehr gut besetzten Schauspielern außerdem, daß der Film trotz seines Haurucks, zu vieler Posen und grober Vereinfachungen, längst nicht so streberhaft geraten ist wie einst DIE WELLE.

[ Michael Eckhardt ] Michael mag Filme, denen man das schlagende Herz seiner Macher auch ansieht. Daher sind unter den Filmemachern seine Favoriten Pedro Almodóvar, Xavier Dolan, François Ozon, Patrice Leconte, Luis Buñuel, John Waters, François Truffaut, Pier Paolo Pasolini, Ingmar Bergman. Er mag aber auch Woody Allen, Michael Haneke, Hans Christian Schmid, Larry Clark, Gus Van Sant, Andreas Dresen, Tim Burton und Claude Chabrol ...
Bei den Darstellern stehen ganz weit oben in Michaels Gunst: Romy Schneider, Julianne Moore, Penélope Cruz, Gerard Depardieu, Kate Winslet, Jean Gabin, Valeria Bruni-Tedeschi, Vincent Cassel, Margherita Buy, Catherine Deneuve, Isabelle Huppert ...
Eine große Leidenschaft hat Michael außerdem und ganz allgemein für den französischen Film.