Noch keine Bewertung

Jedermanns Fest

Die zäheste Eintagsfliege der Welt

Die teuerste österreichische Nachkriegsproduktion hat die Gemüter erhitzt: einige Jury-Mitglieder und große Teile des Publikums befühlten entsetzt ihre Köpfe, als sich diese ausgedehnte Adaption des an sich recht überschaubaren Hofmannsthalschen Mysterienspiels plötzlich mit dem Preis der Grazer Diagonale als Bester Österreichischer Film 2001 aus der Arena schlich. Was ist passiert?

Fritz Lehner gab "Jedermann" den Vornamen Jan und machte aus ihm einen Wiener Modeschöpfer der Jetztzeit, der statt einer Buhlschaft gleich einen ganzen Harem von Mannequins zur Seite hat. Die Vergabe von Namen erweist sich auch bezüglich dieser Damen als künstlerische Handschrift und erlaubt unserem Jan den schönen Satz: "Zwischen mir und Kokain ist nichts." Der Einfallsreichtum geht weiter: Die Pariserin Yvonne Becker wurde zur Begutachtung der jüngsten Kollektion eingeladen und soll mit einem Fest freundlich gestimmt werden.

Gekommen ist Juliette Gréco: Existentialisten-Charme im Gesicht, französisch akzentelnde Synchronstimme an den Hacken, aber ohne tragende Funktion im Übrigen. Die Rolle des Teufels ging an einen Hund. Obwohl hier das Sterben des reichen Mannes mit einem Autounfall vergleichsweise rasant eingeläutet wird, verstreicht Jedermanns Tagesfrist bis zum Eingang in die ewigen Jagdgründe des Herrn zäh. Lehner bläht das letzte Fest in einer Art visionärer Rückblende des noch Untoten zu einem Party-Marathon auf, bei dem die Bildsprache mit dem Buffet um üppige Erlesenheit wetteifert, der Magen jedoch mit den Augen nicht mithalten kann. Denn wo Hofmannsthals allegorische Codes kaum der Interpretation bedürfen, rennt Lehner mit symbolischen Schulbeispielen, windschiefen Zitaten aus der Hochkultur und stilisierten Klischees gegen eine als Welt gedachte Modebranche an, die ihre glatte Oberfläche selbst immer noch am besten inszeniert - intellektuelle Kurzschlüsse in Serie.

Der Fotograph und Protagonist Jim Rakete hätte das wissen können, der Über-Mime Brandauer wußte es nicht und spielt sich im Überschwang der großen Rolle fast selbst an die Wand.

Österreich/D/F 2000, 173 min

Genre: Drama, Literaturverfilmung

Darsteller: Klaus Maria Brandauer, Juliette Gréco, Sylvie Testud

Stab:
Regie: Fritz Lehner
Drehbuch: Fritz Lehner

Kinostart: 14.11.02

[ Sylvia Görke ]