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Kalt ist der Abendhauch

Enttäuschende Ingrid-Noll-Adaption

Das Leben ist ungerecht. Obwohl Charlotte und Hugo wie füreinander geschaffen sind, werden sie in den 30er Jahren anders verheiratet. Charlotte, Tochter eines Schuhhändlers, muß mit dem recht langweiligen Lehrer Bernhard vorliebnehmen, während Hugo mit ihrer Schwester Ida liiert wird, da sie ein Kind von ihm erwartet. Geflirtet wird aber weiterhin auf das heftigste. Der Krieg bricht aus, und Bernhard muß an die Front. Als die Nachricht vom Tod ihres Mannes sie erreicht, muß Charlotte mit ihren Kindern völlig allein durchkommen. Nach Kriegsende steht plötzlich Hugo, der sich als Buchhändler durchgeschlagen hat, vor ihrer Tür und zieht bei ihr ein. Nun wird doch noch ein Liebespaar aus den beiden. Eines Abends klopft es an Charlottes Tür und der totgewähnte Bernhard steht völlig lädiert vor ihr. Er bedrängt sie körperlich, und es kommt zu einem tragischen Unfall. Als Hugo nach Hause kommt und die Leiche sieht, steht für beide die Entsorgung schnell fest: Bernhard wird im Keller eingemauert. Dieses Erlebnis entfremdet die Liebenden. Hugo geht zu seiner sterbenskranken Frau Ida zurück. Erst fünfzig Jahre später hat Charlotte einen Brief im Kasten. Hugo will sie besuchen....

Liebevoll detailversessen gelingt Rainer

Kaufmann epische Größe beim Blick auf die Familie Charlottes in den 30er und 40er Jahren. Hier führt er gekonnt die wunderbar besetzten Darsteller. Kaufmann schafft jede inszenatorische Nuance, die große Familienchroniken so fesselnd machen. Besonders ergreifend die Szene, als Charlottes kleiner Bruder Albert, der vornehmlich Frauenkleider trägt, vom Vater demütigend verstoßen wird und sich auf dem Dachboden erhängt.

Hier erreicht Kaufmann, seit LONG HELLO & SHORT GOODBYE einer der visuell spannendsten Regisseure, eine Kraft, die dem deutschen Film fremd ist. Diesen Bonus verspielt er in seiner Jetzt-Zeit-Schilderung. Charlotte und Hugo verkommen als alte Menschen zu Marionetten, Kasperfiguren. Es klappert dann auch ungeschickt das Rückblendenspiel, da besonders der Lebemann Hugo im Alter völlig unglaubwürdig dargestellt wird. Und der schwarze Humor, der Ingrid Nolls Vorlage eigen war, entgleitet Kaufmann zu schrulligem Schabernack.

D 2000, 124 min
Verleih: Senator

Genre: Literaturverfilmung, Komödie

Darsteller: Fritzi Haberlandt, August Diehl, Vadim Glowna

Regie: Rainer Kaufmann

Kinostart: 21.09.00

[ Michael Eckhardt ] Michael mag Filme, denen man das schlagende Herz seiner Macher auch ansieht. Daher sind unter den Filmemachern seine Favoriten Pedro Almodóvar, Xavier Dolan, François Ozon, Patrice Leconte, Luis Buñuel, John Waters, François Truffaut, Pier Paolo Pasolini, Ingmar Bergman. Er mag aber auch Woody Allen, Michael Haneke, Hans Christian Schmid, Larry Clark, Gus Van Sant, Andreas Dresen, Tim Burton und Claude Chabrol ...
Bei den Darstellern stehen ganz weit oben in Michaels Gunst: Romy Schneider, Julianne Moore, Penélope Cruz, Gerard Depardieu, Kate Winslet, Jean Gabin, Valeria Bruni-Tedeschi, Vincent Cassel, Margherita Buy, Catherine Deneuve, Isabelle Huppert ...
Eine große Leidenschaft hat Michael außerdem und ganz allgemein für den französischen Film.