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Killing Them Softly

Amerika – ein Geschäftsmodell in Blutrot

Versprechen geben, Hoffnung wecken, Zukunft beschwören. Demokratie predigen. Es ist Wahl in Amerika – und in einer der ersten Einstellungen von KILLING THEM SOFTLY schlappt der fröstelnde Kleinganove Frankie über ein Schlachtfeld. Eins, auf dem kurz zuvor der Wahlkampf tobte, und über das jetzt ein garstiger Wind die Fetzen von Plakaten und Spruchbändern treibt. Was von den zu einschlägigen Politikerparolen jubelnden Massen noch übrig blieb, ist Müll, den der Wind verweht.

Ein typisches Szenario für diesen Film, der von Anfang an keinen Hehl daraus macht, daß er eine Parabel erzählt. Gern in Allegorien bebildernd und kommentierend in Zynismus: „America Is Not A Country. America Is A Business.“, sagt irgendwann Auftragskiller Cogan. Der ist auf der Jagd nach Frankie und dessen Kumpel Russel. Beide haben im Auftrag eines windigen Geschäftsmannes in New Orleans eine illegale Pokerrunde überfallen, 30.000 Dollar eingesackt und neben dem Geld jetzt ernste Probleme.

Nach seinem schartigen Erstling CHOPPER und der grandiosen Westernelegie DIE ERMORDUNG DES JESSE JAMES DURCH DEN FEIGLING ROBERT FORD hat sich der australische Regisseur Andrew Dominik für seinen dritten Film einer Romanvorlage des Autors George V. Higgins aus dem Jahre 1974 bedient. Die Handlung verlegte Dominik, der auch das Drehbuch schrieb, ins Jahr 2008, vor den Hintergrund des US-Wahlkampfs zwischen Obama und John McCain. Und wo KILLING THEM SOFTLY an der Oberfläche ein hartes, konsequentes Gangster-Drama nach bewährtem Plot erzählt, fächern sich dabei zugleich zahlreiche Figuren, Nebenstränge und Konstellationen in einer Art auf, die immer wieder weit über diesen Plot hinausweist. Zeigend, daß das Modell „Kapitalismus“ in der Ausführung „Amerika“ lediglich eins ist: Ein Geschäftsmodell eben, in dem Skrupel nur Sand im Getriebe sind.

Und dessen Regeln in der Unterwelt lediglich klarer zu Tage treten. Ein sarkastisches Fresko der großen Desillusion ist dieser Film. Dessen Ur-Schnitt soll zweieinhalb Stunden gehen, und man ahnt, sieht man jetzt die auf 97 Minuten komprimierte Fassung, was alles für Steine aus dem Fresko gebrochen wurden. Allerdings: Das Grobverfügte des Films paßt zu dessen rüder Gewalttätigkeit und kontrastiert mit exzellent fotografierten Bildern. Kleine Déjà-vus, die sich jetzt, unmittelbar nach erneutem US-Wahlkampf, einstellen, tun ihr Übriges.

Originaltitel: KILLING THEM SOFTLY

USA 2012, 97 min
FSK 16
Verleih: Wild Bunch

Genre: Thriller, Killer

Darsteller: Brad Pitt, Richard Jenkins, James Gandolfini, Ray Liotta

Regie: Andrew Dominik

Kinostart: 13.12.12

[ Steffen Georgi ] Steffen mag unangefochten seit frühen Kindertagen amerikanische (also echte) Western, das „reine“ Kino eines Anthony Mann, Howard Hawks und John Ford, dessen THE SEARCHERS nicht nur der schönste Western, sondern für ihn vielleicht der schönste Film überhaupt ist. Steffen meint: Die stete Euphorie, etwa bei Melville, Godard, Antonioni oder Cassavetes, Scorsese, Eastwood, Mallick oder Takeshi Kitano, Johnny To, Hou Hsia Hsien ... konnte die alten staubigen Männer nie wirklich aus dem Sattel hauen.