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Kinatay

Die verkaufte Seele

Es scheint ein normaler Tag in Manila zu sein: Marktverkäufer bieten Waren an, Menschenmassen bevölkern jede Straße, und die Mutter eines zukünftigen Selbstmörders wird beim Anflehen ihres Sohnes gebeten, doch etwas lauter zu sprechen, für die TV-Kameras. Ja, natürlich ist das plakativ, aber selbst wenn der gesamte Film bis zum Ende solche überdeutlichen Zynismen kaum vermeiden wird, verfehlt er seine Wirkung nicht, also weiter.

Für Polizeistudent Peping ist heute nämlich ein ganz besonderer Tag; er heiratet seine Freundin und hat schon Pläne, wie die kleine Familie ernährt sein will. Doch am Abend ruft ihn der Chef zu einer Spezialaktion, der junge Mann willigt ahnungslos ein. Dann geschieht Schreckliches – Pepings korrupte Vorgesetzte entführen die Prostituierte Gina alias Madonna, schlagen die fragile Frau brutal zusammen und fahren mit unbekanntem Ziel los. Madonnas Vergehen: Sie hat schmutziges Geld vom Polizeiboss angenommen und kann es nicht zurückzahlen.

Die nun folgende Fahrt hebt jegliches Zeitgefühl aus den Angeln, endlos verweilt das Geschehen in der Enge eines Lieferwagens, nur unterbrochen von banalen Gesprächen und Madonnas bald verebbendem Schluchzen. Eine Tortur gleichermaßen für Peping wie das Publikum, nicht im klassischen Sinne spannend, sondern eher psychische Qual. Welcher Ort wird angesteuert? Was soll mit Madonna passieren? Und: Will man es überhaupt erfahren? Fast schmutzige Bilder, denen alles Licht abhandenkam, machen den Zuschauer zusätzlich zum hilflosen Zeugen einer Tragödie.

Schließlich erreichen Peping und seine Kollegen das Ziel, einen Keller, in dem Madonnas bestialische „Bestrafung“ ihren Lauf nimmt. Allerdings bleibt die schockierende Tat aus inszenatorischer Sicht diskussionswürdig, weil das Skript Madonna bloß als menschlichen Schemen skizziert, und die Kamera stellenweise unnötig graphische Aufnahmen wie aus einem Splatterfilm zeigt. Dennoch schlägt das vorerst beiläufig angedeutete („Beim ersten Mal war ich auch nervös ...“), später klar artikulierte Wissen um die Wiederholung direkt in den Magen.

Und Peping zuzuschauen, wie er seine Seele verkauft, Menschlichkeit gegen Karriere tauscht, macht schließlich den schier unerträglichen Subtext dieser Gesellschaftskritik aus, welche man auf keinen Fall mögen muß, aber gesehen haben sollte. Ekel, Leere und Wut danach inbegriffen.

Originaltitel: KINATAY

F/Philippinen 2009, 105 min
FSK 18
Verleih: REM

Genre: Drama

Darsteller: Coco Martin, Julio Diaz, Mercedes Cabral, Maria Isabel Lopez, John Regala

Regie: Brillante Mendoza

Kinostart: 29.07.10

[ Frank Blessin ] Frank mag Trash, Grenzgängerisches und Filme, in denen gar nicht viel passiert, weil menschliche Befindlichkeiten Thema sind. Russ Meyer steht deshalb fast so hoch im Kurs wie Krzysztof Kieslowski. Frank kann außerdem GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN mitsprechen und wird IM GLASKÄFIG nie vergessen ...