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La isla – Archive einer Tragödie

Von Grauen und Hoffnung eines Fundes

"Für xx" so lautet die vorangestellte Widmung zu Uli Stelzners Dokumentarfilm LA ISLA – ARCHIVE EINER TRAGÖDIE. "xx" steht für die unzähligen namenlosen Opfer der Militärdiktatur, die während des über drei Jahrzehnte andauernden Bürgerkrieges auf Guatemalas Friedhöfen anonym verscharrt wurden. Menschen verschwanden von einem Tag auf den anderen, wurden gefoltert und umgebracht, ohne daß ihre Angehörigen die geringste Kenntnis über ihr Schicksal erlangen konnten. Kaum ein Bruchteil der Verbrechen ist aufgeklärt, geschweige denn, daß Schuldige zur Verantwortung gezogen worden sind.

Hoffnung, etwas Licht in das Justizdunkel zu bringen und vielen Verschwundenen Name und Schicksal zurückzugeben, liegt in dem 2005 überraschend aufgefundenen Archiv der Nationalpolizei. 80 Millionen Dokumente aus über 100 Jahren wurden gefunden. Rechercheure, angetan mit Mundschutz, Kopfbedeckung und Handschuhen, arbeiten sich in rohen Kellerräumen durch die Papiermassen. Sowohl Archivmitarbeiter wie auch Besucher von außen, die dort nach dem Verbleib ihrer Angehörigen suchen, sind Betroffene. Sie alle verfolgt, was die Dokumente nach und nach preisgeben. Zwischen die Interviewsequenzen sind Archivmaterialien geschnitten, projiziert auf die nackten Wände des heutigen Archivgebäudes, das früher der Nationalpolizei als Folterzentrum diente. Außerdem zeigt Stelzner kommentarlos Szenen aus der heutigen Polizeiausbildung Guatemalas, in der junge Menschen mit angesichts der Ereignisse umso fragwürdigerem militärischen Drill traktiert werden.

Dabei versteht es der Regisseur, die damaligen Ereignisse erzählerisch so zu rekonstruieren, daß beim Zuschauer eine Ahnung aufkommt, was es heißen mag, in diesem Land zu leben. Mehr kann ein Dokumentarfilm nicht leisten. In Guatemala selbst hat der Film viel Staub aufgewirbelt. An drei ausverkauften Vorstellungen im Nationaltheater sahen ihn über 6.000 Leute. Mittlerweile ist der Film als Raubkopie an jeder Ecke zu haben, erzählt Stelzner mit hörbarer Zufriedenheit. Anfang November 2010 kam es erstmals zu einer Verurteilung zweier Schuldiger aufgrund der im Archiv gefundenen Beweise.

D/Guatemala 2009, 85 min
Verleih: iskacine/ohne gepäck filmproduktion

Genre: Dokumentation, Polit

Regie: Uli Stelzner

Kinostart: 25.11.10

[ Dörthe Gromes ]