Originaltitel: HONEYLAND

Mazedonien 2019, 90 min
FSK 6
Verleih: Neue Visionen

Genre: Dokumentation, Natur

Regie: Ljubomir Stefanov, Tamara Kotevska

Kinostart: 21.11.19

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Land des Honigs

Bildgewaltig – über eine mazedonische Bienenflüsterin

In den Bergen Mazedoniens schmiegt sich ein kleines Dorf in eine Senke. Auf den ersten Blick scheint es menschenleer zu sein, doch wer genau hinschaut, sieht eine schmale Frau aufs Dorf zulaufen. Hatidze ist Bienenflüsterin und kümmert sich hingebungsvoll um ihre Tiere und ihre alte, bettlägerige Mutter. Die Bienen lassen sich von ihr widerstandslos durch ihre Gesänge anlocken. Sie arbeitet mit bloßen Händen und oft ohne Schutzkleidung. Die Hälfte des Honigs läßt sie den Bienen, die andere verkauft sie in Skopje auf dem Markt. Mutter und Tochter leben ein einfaches Leben, das im Rhythmus der Natur dahinfließt, bis plötzlich eine nomadisch lebende Großfamilie mit sieben Kindern und 150 Kühen das verlassene Nachbargrundstück bezieht.

Hatidze ist hin- und hergerissen, sie vermißt ihre Ruhe, freut sich gleichzeitig aber über die Gesellschaft. Doch inmitten der aufkeimenden Freundschaft nimmt das Unheil seinen Lauf, als der Nachbar sich ebenfalls dem anscheinend so lukrativen und problemlosen „Geschäft“ mit den Bienen zuwendet. Hatidzes Warnung, seinen neu erworbenen Bienen nie mehr als 50% des Honigs zu nehmen, verklingt ungehört ...

Das Regie-Duo Ljubomir Stefanov und Tamara Kotevska stammt selbst aus Mazedonien und hat seine Protagonisten lange begleitet. So ist es ihnen gelungen, eine Entwicklung zu beobachten, die auf fast prototypische Weise die Funktionsweise des ungebremsten Kapitalismus’ in unserer Gesellschaft zeigt. Hatidze steht dabei sinnbildlich für ein anderes Leben und Arbeiten, das fast noch in vorkapitalistischen Strukturen stattfindet, andererseits in seiner Nachhaltigkeit aber hochmodern ist. Ihre Nachbarn hingegen bedrohen mit ihrem unbedachten Handeln Hatidzes friedliche Existenz, wirken aber gleichzeitig eher wie Opfer gesellschaftlicher Dynamiken, die sie selbst nicht im Griff haben.

LAND DES HONIGS hat völlig zu Recht beim diesjährigen Sundance Festival die Preise in Serie eingesteckt. Die Reise ins Bienenland ist ein filmischer Genuß, der mit schwelgerischen Bildern der kargen Landschaft und einem hervorragenden Score und Tondesign punkten kann. Nicht zuletzt haben Stefanov und Kotevska mit ihrem Porträt einer starken Frau auch ein eindrucksvolles und sehr aktuelles Statement für mehr Behutsamkeit im Umgang mit der Natur geschaffen.

[ Luc-Carolin Ziemann ] Carolin hat ein großes Faible für Dokumentarfilme, liebt aber auch gut gespielte, untergründige Independents und ins Surreale tendierende Geschichten, Kurzfilme und intensive Kammerspiele. Schwer haben es historische Kostümschinken, Actionfilme, Thriller und Liebeskomödien ... aber einen Versuch ist ihr (fast) jeder Film wert.