Originaltitel: MARTHA MARCY MAY MARLENE

USA 2011, 102 min
FSK 16
Verleih: Fox

Genre: Psycho, Thriller

Darsteller: Elisabeth Olsen, Brady Corbet, Hugh Dancy

Regie: Sean Durkin

Kinostart: 09.08.12

1 Bewertung

Martha Marcy May Marlene

Der gefährliche Ausstieg vom Ausstieg

Das Thema Sektenausstieg ist ja gerade dank eines sehr prominenten Scheidungsfalls in aller Munde, da schafft es endlich dieser wunderbar entschleunigte Psychothriller mit vierteljährlicher Verspätung nun auch in die Leipziger Kinos. Sean Durkins Langfilmdebüt nimmt sich allerdings nicht die weltbekannte Sekte mit Hollywoodbesetzung vor, sondern erzählt seine Geschichte der jungen Kommunenaussteigerin Martha in der Welt des abseitigen Hinterwalds. Das sorgt neben einer durchweg gelungenen, bedrohlich-schönen Atmosphäre auch für eine interessante Parallele zum Genre des Backwood-Slasherfilms.

Die Flucht geschieht in Stille. Marthas Entkommen aus den Klauen ihrer sektenartigen Kommune erscheint zunächst wenig dramatisch. Von ihrer älteren Schwester Lucy am nächsten Diner aufgelesen, wohnt sie alsbald im schicken, am See gelegenen Wochenendhaus von Lucy und ihrem Ehemann Max, einem echten Yuppie-Paar. Die trügerische Idylle wird schnell als solche entlarvt, wenn auch scheinbar zunächst nur in Marthas Kopf, in dem die Bilder der erschütternden Erlebnisse in der Kommune wiederkehren und uns mit zurück in die Vergangenheit nehmen. Der Einstieg ins Sektenleben wirkt harmlos genug, das scheinbar zwanglose, hippiehafte Außenseiterdasein ein attraktives Gegenmodell zur Leistungsgesellschaft. Doch dann folgen die Übergriffe, die angeblich notwendigen Riten, die in ihren Überschreitungen der Grundwerte menschlichen Zusammenlebens immer extremer werden, bis sie schließlich so weit gehen, daß Martha flieht. Doch an ihrem vorübergehenden Fluchtpunkt scheint die Vergangenheit immer mehr in die Gegenwart überzuschwappen. Und der Zuschauer weiß nicht so genau: Bin ich jetzt noch immer in Marthas Kopf, oder passieren diese Dinge wirklich?

Aus diesem Spiel mit den Fragen „Was ist vergangen und was jetzt?“, was ist Einbildung und was Realität, zieht MARTHA MARCY MAY MARLENE seine stärksten Momente. Elisabeth Olsens Darstellung der Martha ist dabei schlicht eine Wucht, und das restliche Ensemble kommt sehr nah an diese herausragende Leistung heran. Wenn der Film auch am Ende wenig Hoffnung zuläßt, dann kann diese immerhin aus der Tatsache gezogen werden, daß die hier offenbarten Talente noch weiter wirken werden. Und das ist angesichts dieses durch und durch beunruhigenden Films eine sehr beruhigende Aussicht.

[ Paul Salisbury ] Paul mag vor allem Filme, die von einem Genre ausgehen und bei etwas Neuem ankommen. Dabei steht er vor allem auf Gangsterfilme, Western, Satire und Thriller, gern aus der Hand von Billy Wilder, Sam Peckinpah, Steven Soderbergh, Jim Jarmusch, den Coen-Brüdern oder Paul Thomas Anderson. Zu Pauls All-Time-Favs gehören DIE GLORREICHEN SIEBEN, TAXI DRIVER, ASPHALT COWBOY, SUNSET BOULEVARD, POINT BLANK ...