Originaltitel: MEN

GB 2022, 100 min
FSK 16
Verleih: Koch Films

Genre: Psycho, Thriller, Horror

Darsteller: Jessie Buckley, Rory Kinnear, Gayle Rankin, Paapa Essiedu, Sonoya Mizuno

Regie: Alex Garland

Kinostart: 21.07.22

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Men

Männer sind Schweine – oder Schlimmeres

Manchmal macht sich der Horror einen finsteren Spaß draus, einfach hereinzubrechen. Zum Beispiel, gleich wiederholt, entlang eines Streits, den Harper und James ausfechten: Er kündigt Selbstmord an, falls sie ihn verläßt. Darauf seine Faust in ihrem Gesicht. Zuletzt rutscht er aus, stürzt vom Balkon aufs Eisengitter. Bloß ein Unfall?

Aus Erholungszwecken bucht Harper einen Landurlaub, tolles Haus, traumhafte Botanik, gerade das Richtige für unsere recht zaghaft trauernde, eher gelöst herumtändelnde lustige Witwe. Aber Seltsames bahnt sich schon früh an, als Vermieter Geoffrey, gemimt von Rory Kinnear, einem angebissenen Apfel das Prädikat „Forbidden Fruit“ verleiht. Nimmt Harper die Rolle Evas ein, folgt die Vertreibung? Zunächst sieht’s kaum danach aus, Mutter Natur empfängt Harper mit weit geöffneten Ästen, so könnte man sich tatsächlich den Garten Eden vorstellen, die Kamera sucht, findet und eröffnet Weite, der Blick schweift über Landschaften, märchenhaft schön. Harpers Seele heilt. Bis ein nackter Mann auftaucht (Kinnear besetzt eine Doppelrolle), blutig verwundet, schweigsam. Auch ihn interessiert der Apfelbaum. Harpers aufkeimende Ängste bügelt der Polizeichef, erneut durch Kinnear verkörpert, rüde ab, ein Junge – Kinnear gibt wieder alles – beleidigt sie übel. Schließlich stellt Kinnear noch den örtlichen Vikar dar; jener betreibt zynische Täter-Opfer-Umkehr, erklärt Harper, sie hätte James’ Tod verschuldet. An der Friedhofsmauer liegt im Hintergrund ein abgehangenes, achtlos (oder bewußt?) dort plaziertes Kreuz.

Wie Stiche bohren sich die toxischen männlichen Attacken in Harpers Geist, der Schrecken bahnt sich jetzt tröpfelnd seinen Weg. Quälend bedächtig, doch beharrlich, unaufhaltsam. Auf totale Entnervung, späterhin pure Verstörung gebürstetes Sounddesign nutzt Stimmungen und Stimmen. Harper verwehrt derweil die maskulinen Übergriffe nach Kräften, hat offensichtlich keine Lust auf Schwäche oder Opferpassivität, Jessie Buckley pariert Kinnears nicht nur quantitative, sie praktisch umzingelnde Präsenz souverän, agiert nachdrücklich mittelfingeraffin, ein schauspielerisches Duell auf präziser Augenhöhe. Indes droht Harper sukzessive zu verlieren; zu massiv gerät der Druck, zumal die Männer irgendwann anfangen zu transformieren. Was Kinnears Mehrfachbesetzung bereits andeutete, scheint nun verfestigter Fakt: Biste einer, biste alle.

Langsam wird’s deutlich prekär, das Rätselschwierigkeitslevel steigt, während die unbeirrt künstlerisch wertvolle audiovisuelle Ästhetik zunehmend beißt, reißt und schreddert. Klar, daß im wahrlich unglaublichen Finale fürs Genre-Geschichtsbuch sämtliche Haltestricke reißen. Harper guckt kurz hin und versucht dann, den Schauplatz grausig grotesken Geschehens zu verlassen – es wäre wenig überraschend, sollten Teile des Publikums sich anschließen. Entfliehen allerdings völlig unmöglich. Willkommen zurück, James …

[ Frank Blessin ] Frank mag Trash, Grenzgängerisches und Filme, in denen gar nicht viel passiert, weil menschliche Befindlichkeiten Thema sind. Russ Meyer steht deshalb fast so hoch im Kurs wie Krzysztof Kieslowski. Frank kann außerdem GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN mitsprechen und wird IM GLASKÄFIG nie vergessen ...