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Mondkalb

Von einer Verstörung in der Provinz

Alex will neu anfangen. Oder besser gesagt: sie muß, hat sich doch die Tochter von ihr losgesagt, nachdem Alex ihren Mann nach einem Streit fast umgebracht hätte. Ihr neues Zuhause nach sechs Jahren Gefängnis soll das Häuschen ihrer verstorbenen Großmutter werden. Irgendwo in der ostdeutschen Provinz. Ein verwilderter Garten, die alten Fotoalben im Schrank, die Schürze noch am Haken - die Kindheit holt die große, schlaksige Frau ein, die mit ihrem verstörten Blick und geduckten Bewegungen die Atmosphäre inmitten dieses Nirgendwo noch potenziert.

Schon am nächsten Tag stellt sie fest, daß nicht nur sie sich das Haus als Zufluchtsort ausgesucht hat, sondern auch Tom, der 11jährige Sohn des Fahrlehrers Piet. Tom und Alex sind ähnlich unzugänglich und weltverschlossen. Gerade deswegen scheint der Junge in der spröden Frau jedoch eine Art Verbündete zu sehen. Langsam beginnen sich die beiden anzunähern, und Alex entdeckt, daß mit Tom irgendwas nicht zu stimmen scheint ...

Wie vieles in diesem Drama von Sylke Enders. Nicht nur, daß alle Hauptfiguren ernsthafte Störungen aufweisen und sich in verzweifelter Anhänglichkeit zusammen-schließen, um in einer Kleinstadt, die man anscheinend wegen ihrer Überlebensunfähigkeit glatt schließen könnte, krampfhaft ein wenig "normales Leben" herzustellen, auch die Umsetzung dieser überfrachteten Geschichte ist durch die gute schauspielerische Leistung von Juliane Köhler nicht zu retten. Der Regisseurin geht es um alles: Gewalt in der Ehe und gegen Kinder, Selbstmord, die Problematik Alleinerziehender, der Ost-West-Konflikt, Aufarbeitung, Schuld ... Die Verstocktheit der Dialoge, die wahrscheinlich nur eine vage Ahnung der Gefühlsebene zwischen den Charakteren vermitteln soll, wirkt dabei nur aufgesetzt. Jedes Problem wird direkt benannt, die Gespräche versickern aber an der Oberfläche.

Schon gar nicht nimmt man dem Film die unmögliche Liebesgeschichte zwischen der beziehungsunfähigen Alex und dem prolligen Fahrlehrer ab - den Axel Prahl als Piet wenig überraschend darstellt. Überhaupt macht es einem die Regisseurin nicht leicht, Sympathie mit ihren mit ihren Charakteren zu entwickeln. Denn auch wenn man versteht, was Enders mit der dargestellten Einkapselung und Isolierung meint, so kann man diese nicht nachempfinden. Nur deshalb verläßt man das Kino mit einem sehr indifferenten Gefühl des Unwohlseins.

D 2007, 102 min
Verleih: X Verleih

Genre: Drama

Darsteller: Juliane Köhler, Axel Prahl, Leonard Carow

Regie: Sylke Enders

Kinostart: 13.03.08

[ Susanne Schulz ]