Originaltitel: MUHI – GENERALLY TEMPORARY

Israel/D 2017, 86 min
FSK 0
Verleih: Neue Celluloid Fabrik

Genre: Dokumentation

Regie: Rina Castelnuovo-Hollander, Tamir Elterman

Kinostart: 14.06.18

1 Bewertung

Muhi

Preisgekrönter Dokumentarfilm über einen ganz besonderen Jungen

Der 6jährige Muhi ist ein Phänomen: Mit seinem ansteckendem Lachen erobert er die Herzen aller, die ihn treffen. Dabei lebt er unter Bedingungen, die für uns unvorstellbar sind. Fast sein gesamtes Leben hat der Junge, der im Gaza-Streifen als Sohn eines Hamas-Aktivisten geboren wurde, in israelischen Krankenhäusern verbracht. Eine seltene Autoimmunkrankheit bedroht sein Leben – bis heute. Mit zwei Jahren mußten ihm Füße und Hände amputiert werden. Im Gazastreifen mit seiner desolaten Gesundheitsversorgung wäre er zum Tode verurteilt. In Israel kann er zwar behandelt werden, doch der Preis dafür ist hoch.

Muhi lebt ein paradoxes Leben. Nur sein Großvater Abu Naim durfte ihn ins Krankenhaus begleiten, nur er gilt den Israelis als unbedenklich. Seit sechs Jahren können die beiden das Krankenhaus nicht verlassen. Muhi liebt seinen Opa, kennt aber seine Eltern und Geschwister kaum. Sein Vater verurteilt den Staat Israel, der seinen Sohn am Leben erhält, und wünscht, daß sein Sohn nach Gaza zurückkommt: koste es, was es wolle. Er verschließt die Augen vor der medizinischen Realität – und damit ein Stück weit auch vor Muhi. Der Großvater dagegen opfert sich auf und lebt seit Jahren entfernt von der eigenen Familie, um für und mit Muhi das Beste daraus zu machen.

Obwohl Muhis Aktionsradius doppelt beschränkt ist, richtet er sich in seinem Leben ein und schafft es, mit seinem Lebensmut die ihn behindernden Grenzen ad absurdum zu führen. Dennoch schimmert die Unauflösbarkeit seiner individuellen Tragödie in diesem feinfühligen Film, der bei DOK Leipzig den Hauptpreis im Deutschen Wettbewerb gewann, in jeder Szene direkt unter der Oberfläche. Das Regie-Duo Rina Castelnuovo-Hollander und Tamir Eltermann hat Muhi mehr als drei Jahre lang begleitet und erlebte in dieser Zeit seinen ungeheuren Lebenswillen, wurde aber auch Zeuge himmelschreiend trauriger Situationen.

Trotz aller Intimität ist ihnen mit diesem Film ein Porträt gelungen, das über die Person hinausweist, ohne sie aus dem Fokus zu verlieren. Muhis Geschichte spiegelt die unglaublichen Zustände, unter denen die Menschen im Nahen Osten seit Jahrzehnten leben. Die bange Frage, wie es diesem ungewöhnlichen Kind gelingen kann, auch in Zukunft seinen eigenen Weg zu gehen, ist untrennbar mit der politischen Entwicklung der Region verbunden.

[ Luc-Carolin Ziemann ] Carolin hat ein großes Faible für Dokumentarfilme, liebt aber auch gut gespielte, untergründige Independents und ins Surreale tendierende Geschichten, Kurzfilme und intensive Kammerspiele. Schwer haben es historische Kostümschinken, Actionfilme, Thriller und Liebeskomödien ... aber einen Versuch ist ihr (fast) jeder Film wert.