Originaltitel: NOSTALGIA

F/I 2022, 118 min
FSK 12
Verleih: MFA

Genre: Drama

Darsteller: Pierfrancesco Favino, Franceso Di Leva, Tommaso Ragno

Regie: Mario Martone

Kinostart: 08.06.23

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Nostalgia

Illusion von der glücklichen Heimkehr

„Geh weg!“ Wie oft hört man hier diesen knappen Satz? Mal gereizt, mal wohlwollend, immer insistierend. Wie ein Mantra, ein Refrain durchzieht dieses „Geh weg!“ Mario Martones stille, schnörkellose Filmballade NOSTALGIA. 40 Jahre hat Felice seine Heimatstadt Neapel nicht gesehen. Als Teenager verließ er – aus gutem Grund, wie man noch erfahren wird – Italien, brachte es später in Ägypten als Bauunternehmer zu Wohlstand, konvertierte zum Islam, heiratete die Frau, die er liebte. Ein geglücktes Leben. Und doch kehrt Felice wieder zurück. Weil in Neapel die Mutter bald sterben wird. Und weil da dieser Phantomschmerz in ihm frißt, die Sehnsucht, etwas längst Verlorenes wiederzuerlangen.

„Wer zwingt Dich hierzubleiben?“, wird Felice einmal gefragt. Doch wäre die richtige Frage nicht „Wer?“ sondern „Was?“ Was zwingt diesen Mann zum Bleiben an diesem Ort, dem er doch längst entwachsen schien? Es sind die Erinnerungen, die sich für Felice zu einem Gefühlsnetz verdichten, in dem er sich mehr und mehr verfängt. Beim Streifen durch die Viertel seiner Kindheit blickt Felice auf Neapel wie auf die späte Erfüllung eines Glücksversprechens.

Eine Illusion tragischen Ausmaßes. Denn das „Geh weg!“, das Felice so oft zu hören bekommt, hat gute Gründe. Der beste Freund von einst ist jetzt ein Mafioso. Auch der mahnt „Geh weg!“ Doch Felice hört nicht. Liest die Zeichen nicht. Ist sehenden Auges blind vor Nostalgie. Wie diese ihm einerseits den Blick für die verfallene Schönheit Neapels öffnet und zugleich die Hoffnung auf eine Zukunft vorgaukelt, die nicht existiert, das erzählt dieser Film, der Drama, Erkundung einer Stadt und eines Gefühlszustandes zugleich ist.

[ Steffen Georgi ] Steffen mag unangefochten seit frühen Kindertagen amerikanische (also echte) Western, das „reine“ Kino eines Anthony Mann, Howard Hawks und John Ford, dessen THE SEARCHERS nicht nur der schönste Western, sondern für ihn vielleicht der schönste Film überhaupt ist. Steffen meint: Die stete Euphorie, etwa bei Melville, Godard, Antonioni oder Cassavetes, Scorsese, Eastwood, Mallick oder Takeshi Kitano, Johnny To, Hou Hsia Hsien ... konnte die alten staubigen Männer nie wirklich aus dem Sattel hauen.