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Petits frères

Drama über das Erwachsenwerden in Pariser Randbezirken

Zuhause ist es nicht mehr auszuhalten. Ihr schleimiger Stiefvater vergeht sich offensichtlich an ihrer Halbschwester, an ihren Freundinnen und droht auch ihr mit Brutalität. Talia, 13 Jahre, schnappt ihre Pitbullhündin Kim und haut ab. Sie verschlägt es in die Vorstadt von Paris und Talia kommt bei Freunden unter.

Die Banlieue, Hort sozial Schwacher und auf Kleinkriminalität Angewiesener, macht es schwer, echte Freunde zu finden. So stehlen vier Halbwüchsige, zu denen Talia etwas Vertrauen gefunden hatte, ihre über alles geliebte Hündin, um mit ihr in Blutkämpfen ein paar Francs zu verdienen. Verlogen gehen sie gemeinsam mit Talia auf die Suche nach Kim.

Besonders der 14jährige Iliès bereut die Tat, denn er verliebt sich in das verzweifelte Mädchen. Er tut alles, um sie wieder glücklich zu machen. Doch so einfach ist es nicht, denn Kim war für Talia mehr als nur ein Hund. Sie fühlte sich durch ihren Pit auch beschützt, vor ihrem Stiefvater, vor den Großen, vor der Realität. Das einzige was ihr jetzt Sicherheit geben würde, wäre eine Waffe. Die besorgt ihr Iliès....

Kein anderer kann sich momentan so intensiv überzeugend der Psyche Pubertierender und ihrer Probleme annähern wie Jacques Doillon. Er kennt ihre Nöte, ihre Gesten, ihre Machtstrukturen und findet deshalb glücklicherweise immer den richtigen Ton in seinem aufwühlenden und melancholischen Film. Noch in guter Erinnerung dürfte sein meisterliches Werk PONETTE sein. Auch in seinem neuesten Film vertraut er seinen verlorenen Geschöpfen. Es ist einfach wunderbar, wie spielend ihm der Wechsel von ekelhafter, realer Gewalt bis zum ausgelassenen Spiel der Kinder gelingt. Er schiebt seine Ritter der Straße nicht auf die blödsinnige selber-schuld-Schiene, sondern gesteht ihnen das zu, was sie ausmacht: Wärme, Ängste, Wut, Stärke, Traurigkeit, und einen Funken Hoffnung, dem Ghetto zu entkommen.

Originaltitel: PETITS FRÈRES

F 1999, 95 min
Verleih: Peripher

Genre: Drama, Erwachsenwerden

Darsteller: Stéphanie Touly, Iliès Sefraoui, Mustapha Goumane

Regie: Jacques Doillon

Kinostart: 18.05.00

[ Michael Eckhardt ] Michael mag Filme, denen man das schlagende Herz seiner Macher auch ansieht. Daher sind unter den Filmemachern seine Favoriten Pedro Almodóvar, Xavier Dolan, François Ozon, Patrice Leconte, Luis Buñuel, John Waters, François Truffaut, Pier Paolo Pasolini, Ingmar Bergman. Er mag aber auch Woody Allen, Michael Haneke, Hans Christian Schmid, Larry Clark, Gus Van Sant, Andreas Dresen, Tim Burton und Claude Chabrol ...
Bei den Darstellern stehen ganz weit oben in Michaels Gunst: Romy Schneider, Julianne Moore, Penélope Cruz, Gerard Depardieu, Kate Winslet, Jean Gabin, Valeria Bruni-Tedeschi, Vincent Cassel, Margherita Buy, Catherine Deneuve, Isabelle Huppert ...
Eine große Leidenschaft hat Michael außerdem und ganz allgemein für den französischen Film.