Originaltitel: RAY

USA 2004, 153 min
Verleih: UIP

Genre: Biographie, Drama, Musik

Darsteller: Jamie Foxx, Kerry Washington, Clifton Powell, Harry Lennix

Regie: Taylor Hackford

Kinostart: 06.01.05

Noch keine Bewertung

Ray

Grandiose Liebeserklärung an Ray Charles

Vielleicht war Ray Charles der amerikanischste aller amerikanischen Musiker. Nicht nur, daß er alle originär amerikanischen Musikstile mitgeprägt und derart miteinander verschmolzen hat, daß Elvis Presley daneben nur wie ein Zwei-Ton-Musiker aussieht. Der Virtuose des Jazz, Rhythm & Blues, Rock’n’Roll, Gospel, Country & Western bediente mit seiner Biographie auch den amerikanischen Erfolgsmythos wie kein anderer: Blinder, schwarzer, wortkarger Junge, ein Landei aus dem Süden, kommt Ende der 40er mit dem Bus (und nur nachdem er dem Busfahrer die Hucke vollgelogen hat) in die große Stadt, greift dort, zwischen zwei Striptease-Nummern, angesagt von einem Zwergen-Conferencier, vor ein paar Ignoranten in einer verräucherten Bar in die Tasten und plötzlich verstummen die Gespräche. Der Zwerg glotzt, und aller Dunst im Raum scheint sich nur noch um den blinden Jungen am Klavier zu schmiegen. Das Wunder Ray Charles hat begonnen. Der blinde Junge aus Albany, Georgia, der einst einen besser dotierten Plattenvertrag haben wird als der große Frank Sinatra, hat die Bühne betreten, die er bis zu seinem Tod 2004 nicht mehr verlassen wird.

Und alles, alles in seinem Leben wird öffentlich sein oder werden: seine Ehe, die grandiosen Tourneen, legendären Sessions, verschlissenen Geliebten, funkelnden Wohnpaläste, die Vertragspoker, der Rassismus, das Heroin, das er sich 20 Jahre lang in die Venen jagt, der Entzug, das Trauma des ertrunkenen Bruders und seiner Erblindung. Was für ein Filmstoff! Und was für ein Film!

Zwei Glücksfälle machen RAY zu dem gnadenlos hämmernden, einfach umwerfenden Musikfilm, der er geworden ist. Der eine Glücksfall ist Jamie Foxx. Foxx ist Ray Charles - an der Nadel, auf der Bühne, beim steifen Hüftwackeln, beim entfesselten Bühnensolo, beim Fremdgehen, immer ein bis in die Haarspitzen glaubwürdig Getriebener, der die Tasten vor sich her treibt, der erst Noten schreibt und dann atmet, der seine Umgebung elektrifiziert und zur Höchstleistung trietzt, der es liebt, unterschätzt zu werden, um am Ende alle auszutricksen und in Grund und Boden zu spielen.

Der andere Glücksfall ist der gelernte Dokumentarfilmer Taylor Hackford, einer von Hollywoods originellsten Mainstream-Regisseuren. Um diesen Film zu machen, muß Hackford seinen Filmstoff tatsächlich so geliebt haben, wie Ray Charles seine Musik. Das ist nicht die übliche Nummernparade, sondern ein unteilbar Ganzes, eine Liebeserklärung mit Verve und Hingabe und großem Kino-Zauber.

[ Christian Seichter ]