Originaltitel: SLOW WEST

GB/Neuseeland 2015, 84 min
FSK 12
Verleih: Prokino

Genre: Western

Darsteller: Kodi Smit-McPhee, Michael Fassbender, Caren Pistorius

Regie: John Maclean

Kinostart: 30.07.15

10 Bewertungen

Slow West

Meisterstück mit Outlaw-Status

Im Kino gibt es Western, und es gibt den Rest. Und man könnte sagen, der Umstand, daß heutzutage Western vorrangig und zumal in Deutschland eine Randexistenz führen, also quasi den kinematographischen Outlaw-Status markieren, erzählt sehr viel über den Zustand des Mediums und über die Menschen, die es nutzen. Oder eben nicht. Denn schaut man einfach mal auf die letzten zwei einschlägigen Beiträge, die auf hiesigen Leinwänden zu sehen waren, bleibt zu konstatieren, daß das Publikumsinteresse eher gering war. Daß mit THE SALVATION und THE HOMESMAN wohlgemut zwei Meisterstücke ignoriert wurden, muß man einfach erwähnen, bevor man sich jetzt SLOW WEST zuwendet.

Denn ein Meisterstück ist auch der. Ins Colorado des Jahres 1870 führend, wo der 16jährige, schottische Adelssprößling Jay Cavendish die Landschaft mit großer Naivität und noch größerer Liebe durchstreift. Denn es gilt, das Mädchen zu finden, an das er sein Herz verloren hat. Die schöne Rose, die mit ihrem Vater aus Schottland gen Amerikas Westen fliehen mußte. Woran Jay nicht ganz unschuldig ist. Und so ist es ein Wink des Schicksals, als das Greenhorn dem so schweigsamen wie treffsicheren Silas begegnet. Daß der mit nicht ganz uneigennützigen Plänen hinter seinem Pokerface durch die Prärie reitet, beginnt Jay zu ahnen, als zunehmend zwielichtiges Gesindel ihren Weg kreuzt.

Ein Weg, der immer wieder auch die Anmutung eines Traumpfades bekommt. Da hat Drehbuchautor und Regisseur John Maclean mit Sicherheit auch mal zu Jim Jarmuschs DEAD MAN geschielt. Und es gehört zu den reizvollen Eigenheiten von SLOW WEST, wie durch die Lakonie und den Realismus, auch den kargen Humor der Szenen, immer wieder ein leiser Anklang des Mystischen zieht. Wie organisch das ineinandergreift und sich zudem in knackigen 84 Minuten zu komprimieren vermag, zeigt dabei erneut und ganz nebenbei, was an narrativem Potential und Erzählsubstanz nach wie vor selbst in den klassischsten Formeln des Western steckt.

Maclean bedient das mit kraftvoll gemäldehaften Bildern zwischen majestätisch und dreckig (Kamera: Robbie Ryan) und einer sich zügig, aber ohne Hektik bis zum fulminanten Showdown entspannenden Handlung. Die final durchaus den Touch großen Dramas pflegt. Mit einem bitteren, tragikomischen Twist, in dem alle Motive des Films ihr elegisch schönes Ende finden.

[ Steffen Georgi ] Steffen mag unangefochten seit frühen Kindertagen amerikanische (also echte) Western, das „reine“ Kino eines Anthony Mann, Howard Hawks und John Ford, dessen THE SEARCHERS nicht nur der schönste Western, sondern für ihn vielleicht der schönste Film überhaupt ist. Steffen meint: Die stete Euphorie, etwa bei Melville, Godard, Antonioni oder Cassavetes, Scorsese, Eastwood, Mallick oder Takeshi Kitano, Johnny To, Hou Hsia Hsien ... konnte die alten staubigen Männer nie wirklich aus dem Sattel hauen.