4 Bewertungen

Torpedo

Mit Highspeed durch die immerwährende Jugend

Mias Mutter hat alle Drogen geschmissen, die sie kriegen konnte und sich irgendwann mit einer Rasierklinge aus dem Leben gebracht. Jetzt steht die 15jährige ihrer neuen Lehrerin gegenüber, die ihr eine Rede über die Verantwortung der Schüler für die verstaubten Pflanzen des Klassenzimmers hält. Es müsse Schluß sein mit ihrer Verweigerungsshaltung, sie solle sich für einen Gummibaum engagieren.

Helene Hegemann, die Autorin dieses Films, knappe siebzehn Jahre alt, hat bereits mehrere Drehbücher und Theaterstücke geschrieben, gerade arbeitet sie an einem Roman. TORPEDO ist ihre erste Regiearbeit. Sie fiel damit auf den Hofer Filmtagen auf und gewann 2008 den Max-Ophüls-Preis. Doch auch wenn man vorab nichts über das Fräuleinwunder des Kinos gelesen hat, überrascht ihr Debüt durch seine Radikalität in Form und Inhalt. Die Dramaturgie springt zwischen beobachtenden Sequenzen, videoclipartigen Showeinlagen und theatralischen Performances hin und her, die Handkamera rastet nie, ist immer auf dem Sprung, nervös, wie die Figuren, denen sie folgt. Cleo, Mias Tante, bei der sie nach dem Tod der Mutter lebt, spielt in einem Berliner Off-Theater, und eine Erziehung ihres Sohnes Fritzi findet schlichtweg nicht statt. Elise, die persönlichkeitsgestörte Cousine, scheint auch mehr oder weniger in der WG zu leben. Sie arbeitet in der Schulkantine, ist eigentlich Informatikerin und bei Dategate auf der Suche nach einem Partner. Nur betreibt sie das alles nicht mit dem nötigen Ehrgeiz, den es braucht, um irgendwo hinzukommen.

Fragmentarisch greift Hegemann all diese Episoden auf, die sie scheinbar ohne Struktur verknüpft und damit den emotionalen Abgrund ihrer Charaktere ausstellt, ohne in die Tiefe zu gehen. Die Dialoge könnte sie in jedem Cafe aufgelesen haben, in dem sie sitzen, die jungen Wilden und über ihre Lebensstrategien und Therapien verhandeln, ihre Grenzen setzen und Arbeiten besprechen. Und ja, man fühlt sich oft an – allerdings intelligent parodierte – Ratgeberpsychologie erinnert, an jenes pseudointellektuelle Gewaber, mit dem man alles totkriegen kann. Nur ist Mias Trauma eigentlich mit nichts zu toppen.

Ohne schon wieder auf dem jungen Alter der Filmemacherin herumzureiten – denn warum sollte jemand sehr Junges seine autobiographischen Bezüge nicht jenseits des gängigen Coming Of Age-Klischees verarbeiten – ist Hegemann ohne Frage genau deshalb ein Talent.

D 2008, 45 min
Verleih: Filmgalerie 451

Genre: Erwachsenwerden, Drama, Komödie

Darsteller: Alice Dwyer, Jule Böwe, Caroline Peters, Agon Ramadani

Regie: Helene Hegemann

Kinostart: 11.06.09

[ Susanne Schulz ]