Originaltitel: HVA VIL FOLK SI

Norwegen/D/S 2017, 106 min
FSK 12
Verleih: Pandora

Genre: Drama, Erwachsenwerden

Darsteller: Maria Mozhdah, Adil Hussain, Rohit Saraf, Ekavali Khanna

Regie: Iram Haq

Kinostart: 10.05.18

1 Bewertung

Was werden die Leute sagen

Mit Schimpf und Schande

Wer einmal 15 Jahre alt war, kennt solche Ansagen: Nicht in diesem Aufzug! Nicht in diesem Ton! Heranwachsende und Eltern als natürliche Freßfeinde, die an den Nerven des jeweils anderen zehren. Doch wer irgendwann einmal 15 Jahre alt war, kennt auch die Finten, mit denen sich elterliche Bedenken umgehen ließen: Knutschen in verstohlenen Ecken. Improvisierte „Umzugskabinen“ auf dem (immer viel zu späten) Rückweg vom Teenager- in den häuslichen Alltag. Im Fall von Nisha liegt der Fall anders, bedrohlicher, lebensbedrohlicher.

In Norwegen sozialisiert, muß sie nicht nur Gräben zwischen Generationen, sondern auch die zwischen Kulturen überwinden. Die Eltern, eingewandert aus Pakistan, pflegen daheim eine traditionelle Idee von Anstand und Fügsamkeit, in der Nisha und ihr Schulhofverehrer Daniel gegen alle Benimmregeln verstoßen. Was zwischen den beiden tatsächlich passiert wäre, in diesem Jugendzimmer, gehemmt von allen Verunsicherungen über das „erste Mal“, wissen wir nicht. Aber für den hereinplatzenden Vater bleibt ein Bild: eine Tochter, die die Familienehre im Bett verhurt. Und dieser Vater, befeuert von Verwandten und pakistanischer Community, bringt das fehlgeleitete Kind unter Vorspiegelung falscher Tatsachen und an norwegischen Behörden vorbei in die „alte“ Heimat, auf daß ihr die westliche Verderbtheit ausgetrieben werde.

Iram Haq, norwegische Regisseurin mit pakistanischen Wurzeln, fiktionalisiert eine Strafexpedition, die ihr so oder so ähnlich selbst zugestoßen ist. Das macht ihren Film in gewisser Weise authentisch und in seiner Parteinahme auf eine quasi selbsterklärende Art zum emotionalen Gesetz der Serie. Aber macht es ihn auch klug? Zu messen ist das Vorhaben an Haqs eigenen Vorgaben: eine Geschichte, in der Nisha „nicht nur als Opfer und ihre Eltern nicht bloß als Täter erscheinen.“ Und doch sind diese Rollen hier so eindeutig verteilt: an eine eigentlich als lebensschlau eingeführte Mädchenfigur, die dann gleich zweimal in dieselbe Falle tappt und nach dem norwegischen Moraldesaster offenen Auges in ein pakistanisches Anstandsdilemma läuft. An einen Vater, der alle Aufgeklärtheit vergißt, wenn er mit Bettlaken und erwachender Tochtersexualität konfrontiert ist.

Was die Leute sagen werden? Sie werden wohl sagen, daß von diesen Anderen nichts anderes zu erwarten war. Aber stimmt das?

[ Sylvia Görke ]