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Who Killed Marilyn?

Mehr Mouthe zum Amerikanischen Traum

„Selbst kalt bin ich noch das heißeste Mädchen in Franche-Comté“, raunt Candice Lecoeur ganz unbescheiden aus dem Off. Nein, sie ist für das winterliche Klima nicht etwa zu luftig angezogen. Sie ist vielmehr mausetot, verendet wie ein waidwundes Reh inmitten des verschneiten Niemandslandes zwischen Frankreich und der Schweiz. Der Kriminalschriftsteller David Rousseau wird zufällig Zeuge des Leichenfundes und beschließt, seinen Besuch im ostfranzösischen Städtchen Mouthe zu verlängern, um dem als Selbstmord abgehakten Todesfall nachzugehen – schließlich wartet die Verlegerin auf sein neues Buch, zu dem ihm bislang jede zündende Idee fehlte.

Es beginnt eine Art Fernbeziehung, bei der Candice aus ihren Tagebüchern heraus von ihrem Aufstieg zum Werbemaskottchen eines lokalen Käseherstellers erzählt, während David sich unter den mißtrauischen Blicken der örtlichen Polizei in Sam-Spade-Manier durch das Unterholz ihrer Biographie wühlt. Zu den vielen Merkwürdigkeiten, die dort zu finden sind, gesellt sich eine ungeheure Entdeckung: Vom platinblond gefärbten Schopf über die laszive Schnute bis hin zu den rundherum enttäuschenden Liebhabern scheint Candice einem Mythos nachgelebt zu haben: eine französische Reinkarnation von Marilyn Monroe, der traurigsten Traumfrau Hollywoods.

Gérald Hustache-Mathieu träumt hauptsächlich amerikanisch, und zwar vor allem in Kinobildern und -geschichten, so viel ist sicher. Von einer kleinen Verbeugung vor Buñuel einmal abgesehen (der Käse nennt sich Belle de Jura), sind es abgelegte Motive und Stimmungen aus FARGO, ein bißchen düstere Schriftstellerromantik aus SHINING und ein paar gebrauchte Intrigen aus L.A. CONFIDENTIAL, die der Regisseur und offensichtlich beschlagene Filmkenner hier als Kriminalpersiflage über der französischen Provinz niedergehen läßt. Etwas körperlos liegt sie über Settings und Personal, wechselhaft in den Farben, unbeständig in den tragikomischen Nuancen und bis in die Filmmusik hinein nicht ganz waschecht.

Aber sie ist mit all ihren verbalen Seitenhieben auf den Eklektizismus im Allgemeinen und Hustache-Mathieus Stilverweigerung im Besonderen doch so entwaffnend kokett, daß man von den kleinen Löchern in der Handlung und einigen achtlos fallengelassenen Nebenfiguren beinahe absehen möchte.

Originaltitel: POUPOUPIDOU

F 2010, 102 min
FSK 12
Verleih: Neue Visionen

Genre: Krimi, Persiflage

Darsteller: Jean-Paul Rouve, Sophie Quinton, Guillaume Gouix, Clara Ponsot, Olivier Rabourdin

Stab:
Regie: Gérald Hustache-Mathieu
Drehbuch: Gérald Hustache-Mathieu

Kinostart: 16.08.12

[ Sylvia Görke ]