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Wir verstehen uns wunderbar

Fabelhafte Komödie über Hiebe und Liebe

Eine effiziente wie melancholische Ouvertüre: wir sehen Schwarzweißbilder und Zeitungsartikel, die von einer vergangenen Zeit berichten. Einer Zeit, in der Alice d’Abanville, die ätherische Jungschauspielerin, und Louis Ruinard, der fördernde Regisseur, ein Paar waren, künstlerisch, privat. Ihr Dekolleté war straff, sein Bart noch dunkel, doch die Beziehung ging in die Brüche, ihre Wege trennten sich. Aber da man sich im Leben ohnehin immer zweimal sieht, ist die zur starken Frau gereifte Alice in der Jetztzeit aufgerufen, bei einer Preisverleihung ausgerechnet ihrem Ex eine Trophäe zu überreichen. In ihrer Laudatio rechnet sie scharfzüngig mit dem einstigen Schürzenjäger ab, der will es ihr heimzahlen, fällt mitten auf der Bühne erstmal theatralisch in Ohnmacht - Auftakt zu einem hinterfotzig eingefädelten Plan der Wiederannäherung? Vielleicht ...

Auftakt auf jedem Fall zu einem über Strecken urkomischen und perfekt getimten Stück erstklassigen Boulevardtheaters, einem ganz großen Reigen der Gehässigkeiten, einem mit Biestigkeit ausgetragenen Aufreißen alter Wunden, einem Sprühfeuer verletzter Eitelkeiten und - weil sich Zickigkeit am Ende kaum auszahlt - einem Ausloten noch vorhandener Gefühle. Ein derartig wechselwarmes Duell kann nur von risikofreudigen und versierten Mimen ausgefochten werden, wobei die bestaunenswert schöne Charlotte Rampling im eindeutigen Vorteil ist: sie darf fauchen, an der kurzen Leine halten, sie darf kratzen, beißen und in einer der schönsten Szenen ihren vom Leben verwöhnten Körper zeigen.

Rochefort bleiben die etwas lauteren, manchmal klabauterhaften Momente, die er aber mit einer Verve durchspielt, mit einem herrlichen Übermaß kindlicher Freude, als hätte er ausgerechnet auf diese Rolle so lange schon gewartet. Antoine de Caunes verläßt sich aber nicht nur auf seine brillanten Protagonisten, er vertraut einem dichten, mal einen berührenden Takt, dann einen derben Ton anschlagenden Drehbuch, welches mindestens eine Weisheit zu versprühen vermag: so darf Rochefort mit einer unverrückbaren Gewißheit in der Brust verkünden, daß man im Alter immer mehr auf Blöde trifft, während der Raubkatze Rampling auch mal durchaus Ungehobeltes über die Lippen kommt - "You Fuckin’ Piece Of Shit" soll als Kostprobe genügen.

Doch de Caunes geht auch tiefer, erzählt sein Film ebenso eine Geschichte über das Älterwerden, über Sexualität, über ein lange gehütetes Geheimnis, über zwei verletzte Menschen, die sich in gespielter Unkenntnis ihre aktuellen Tätigkeiten vorwerfen: er drehe seichte Deppenfilme, sie mache Experimentaltheater. Die Wahrheit liegt ein Stück daneben: er ist als Komödienfilmer erfolgreich, sie eine gefeierte Shakespeare-Mimin.

Und wenn Rochefort als doch nicht so altersgelittener Ruinard zum Schluß "La vie est belle" ausruft, dann ist das ernst gemeint, dann reißt das mit, dann läßt es einen auch die zu grell blitzenden falschen Zähne und eine frühere Szene mit einem arg angedickten Boy George vergessen.

Originaltitel: DÉSACCORD PARFAIT

F 2006, 92 min
Verleih: Movienet

Genre: Komödie, Liebe

Darsteller: Charlotte Rampling, Jean Rochefort, Ian Richardson

Regie: Antoine de Caunes

Kinostart: 03.01.08

[ Michael Eckhardt ] Michael mag Filme, denen man das schlagende Herz seiner Macher auch ansieht. Daher sind unter den Filmemachern seine Favoriten Pedro Almodóvar, Xavier Dolan, François Ozon, Patrice Leconte, Luis Buñuel, John Waters, François Truffaut, Pier Paolo Pasolini, Ingmar Bergman. Er mag aber auch Woody Allen, Michael Haneke, Hans Christian Schmid, Larry Clark, Gus Van Sant, Andreas Dresen, Tim Burton und Claude Chabrol ...
Bei den Darstellern stehen ganz weit oben in Michaels Gunst: Romy Schneider, Julianne Moore, Penélope Cruz, Gerard Depardieu, Kate Winslet, Jean Gabin, Valeria Bruni-Tedeschi, Vincent Cassel, Margherita Buy, Catherine Deneuve, Isabelle Huppert ...
Eine große Leidenschaft hat Michael außerdem und ganz allgemein für den französischen Film.