Originaltitel: ARMAGEDDON TIME

USA 2022, 115 min
FSK 12
Verleih: Universal

Genre: Drama, Familiensaga

Darsteller: Anne Hathaway, Jeremy Strong, Banks Repeta, Anthony Hopkins

Regie: James Gray

Kinostart: 24.11.22

3 Bewertungen

Zeiten des Umbruchs

Leise, wissend, eindringlich

Die ganz harten Zeiten sind für New York 1980 vorbei. Aber zu sehen, zu spüren ist immer noch, welch’ Absturz die Stadt in den Jahren zuvor erlebte: Wie nebenbei blickt ZEITEN DES UMBRUCHS auf runtergekommene Straßenreihen. Oder webt kleine Sätze der Abstiegsangst und Ressentiments in die Dialoge. Und zeigt immer wieder Fernsehbilder, die zunehmend von dem Mann bestimmt werden, der Amerika aus der Krise führen, es, nun ja, bald wieder groß machen sollte.

Die USA kurz vor der Reagan-Ära, New York, Stadtteil Queens, eine jüdische Mittelstandsfamilie und deren jüngster Sproß Paul: Land, Stadt, Familie, Kind – das sind die Karten, die Regisseur James Gray zu Beginn austeilt. Das Setting ist umrissen, das Zeitkolorit skizziert. Und so können sich die Figuren dann auch ganz natürlich bewegen und entfalten in diesem Film, der, hat er seine Karten verteilt, sie fortan in souveräner Ruhe ausspielt. Sechstkläßler Paul geht in eine der besseren Schulen der Stadt, was man auch daran merkt, daß sein Kumpel Jonathan der einzige Schwarze in der Klasse ist. Paul träumt davon, Künstler zu werden, Jonathan würde Astronaut vorziehen.

Ganz andere Träume haben Pauls Eltern: Mag die Schule, in die ihr Sohn geht, auch gut sein – besser ist immer besser. Und tatsächlich kommt Paul, dank einschlägiger Beziehungen, bald auf eine echt bessere Schule. Eine, in der man Schuluniform und selbst als Rotzjunge schon Aktenkoffer trägt. Und wo in der Aula irgendeine Blondine mit protzigen Ohrclips eine dieser öden Reden über Erfolg und so Kram hält. Maryanne Trump heißt die Frau. War hier wohl mal Schülerin oder so. Paul kümmert es nicht wirklich.

Beschäftigt den doch bald Wichtigeres. Die Fragen nämlich, die der sich stellen muß: Wo gehöre ich hin, wer bin ich, wer will ich sein? Antworten darauf geben ihm der geliebte Großvater und, wie es so ist, ein paar harsche Lektionen des Lebens.

Schön, daß James Gray nach Ausflügen ins All und den Dschungel (AD ASTRA, DIE VERSUNKENE STADT Z) wieder dort gelandet ist, wo er herkommt und seine wirklich guten Filme (LITTLE ODESSA, THE YARDS, HELDEN DER NACHT) spielen: in New York. In ZEITEN DES UMBRUCHS erzählt Gray einmal mehr von Familie, Identität – und was das soziale Klima in einem Land, einer Stadt damit zu tun hat. Aber er erzählt es leise, wissend, fast wie nebenher. Und doch eindringlich, bis zur bitteren letzten Karte.

[ Steffen Georgi ] Steffen mag unangefochten seit frühen Kindertagen amerikanische (also echte) Western, das „reine“ Kino eines Anthony Mann, Howard Hawks und John Ford, dessen THE SEARCHERS nicht nur der schönste Western, sondern für ihn vielleicht der schönste Film überhaupt ist. Steffen meint: Die stete Euphorie, etwa bei Melville, Godard, Antonioni oder Cassavetes, Scorsese, Eastwood, Mallick oder Takeshi Kitano, Johnny To, Hou Hsia Hsien ... konnte die alten staubigen Männer nie wirklich aus dem Sattel hauen.