Originaltitel: I’M NOT THERE

USA 2007, 135 min
Verleih: Tobis

Genre: Biographie, Musikfilm

Darsteller: Christian Bale, Cate Blanchett, Heath Ledger, Richard Gere, Julianne Moore, Michelle Williams, Charlotte Gainsbourg, Ben Whishaw

Regie: Todd Haynes

Kinostart: 28.02.08

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I’m Not There

Eine atemberaubende und filmisch herausragende Annäherung an Bob Dylan

Jedes Biopic, jede Verfilmung einer Biographie ist eine Anmaßung. Wie sollte es auch gelingen können, die unzähligen Facetten eines Lebens nur ansatzweise in einem Film wieder zu spiegeln? Dem amerikanischen Independent Regisseur Todd Haynes waren diese Schwierigkeiten bewußt, als er sich ausgerechnet Bob Dylans so komplexes wie widersprüchliches Leben und Werk vornahm. Haynes lag von vornherein nichts an einer klassischen, geradlinigen Biographie-Verfilmung - er suchte vielmehr nach einer adäquaten filmischen Form, dem scheuen Chamäleon Dylan gerecht zu werden. Das ist ihm zweifellos gelungen, obwohl (oder gerade weil) I’M NOT THERE keine leichte filmische Kost ist. Darin unterscheidet den Film nichts von seinem Gegenstand, denn auch Bob Dylan hat es seinen Fans nie leicht gemacht, ihn zu lieben. Aber kaum einer, der sich zu ihm durchgerungen hat, hat es hinterher bereut. Ähnliches dürfte für Haynes mutigen und herrlich unkonventionellen Film gelten.

Bob Dylan ist eines der großen musikalischen Ausnahmetalente unserer Zeit. Was den Troubadour mit der Mundharmonika so einzigartig macht, sind seine politischen und zugleich ungemein lyrischen Texte (er war dafür sogar einmal für den Literaturnobelpreis nominiert) und seine regelmäßigen Re-Inszenierungen seiner selbst. Für viele Künstler war Dylan eine wichtige Inspirationsquelle (Wim Wenders bekannte mal, daß er ohne Dylans Songs nie den Größenwahn aufgebracht hätte, Filme zu machen), und es existieren bereits zwei unautorisierte, aber nichtsdestotrotz bemerkenswerte Dokumentationen über den enigmatischen Sänger, eine davon sogar von Martin Scorsese. Darin erweist sich Dylan als ausgesprochen begabter Geschichtenerzähler, der die eigene Legendenbildung selbst voran treibt und es perfektioniert hat, bei Bedarf auf zutiefst nachdenkliche Art eigentlich gar nichts zu sagen.

Haynes dreht den Spieß um und fragt gar nicht erst nach der Wahrheit, sondern stellt gerade Dylans Schillern und seine verschiedenen öffentlichen Masken ins Zentrum. Um deutlich zu machen, daß es ihm allein um die Chiffren der Kunstperson Dylan geht, bedient sich Haynes - etwas verkürzt gesagt - der Brechtschen Verfremdungstheorie und läßt verschiedene Schauspieler, die auf den ersten Blick absolut nichts mit Dylan verbindet (z.B. Richard Gere und Cate Blanchett, die einen umwerfend androgynen Dylan hinlegt), verschiedene Facetten der komplexen Persönlichkeit Dylans interpretieren. Daneben verkörpern mit dem kürzlich verstorbenen Heath Leadger, Ben Whishaw und Christian Bale drei weitere hochtalentierte Akteure den Sänger bzw. einige der Rollen, in die er selbst im Laufe seines Lebens schlüpfte.

Durch diese ungewöhnliche Grundidee erteilt Haynes von vornherein jeder Behauptung historischer Authentizität eine Absage. Dies ist keine Biographie, sondern eine ausgereifte, ästhetisch eigenständige Annäherung an einen großen Künstler. Dylan bleibt auch nach dem Genuß dieses mitreißenden, bildgewaltigen und ausgesprochen intelligent aufgebauten filmischen Kleinods ein Widerspruch, ein Flüchtiger, ein Rätsel. Der Film stellt eher Fragen, als daß er Antworten präsentiert. Und genau damit entspricht er perfekt der ureigensten Logik Bob Dylans, der niemals der war, für den ihn die Öffentlichkeit gerade hielt.

[ Luc-Carolin Ziemann ] Carolin hat ein großes Faible für Dokumentarfilme, liebt aber auch gut gespielte, untergründige Independents und ins Surreale tendierende Geschichten, Kurzfilme und intensive Kammerspiele. Schwer haben es historische Kostümschinken, Actionfilme, Thriller und Liebeskomödien ... aber einen Versuch ist ihr (fast) jeder Film wert.