D 2018, 92 min
FSK 6
Verleih: Camino

Genre: Dokumentation

Regie: Florian Weigensamer, Christian Krönes

Kinostart: 02.08.18

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Welcome To Sodom

Leben auf totem Land

Es ist ein apokalyptisches Szenario: Eine Herde abgemagerter Kühe trabt über totes Land. Hinter ihnen verdunkeln schwarze Rauchschwaden den Himmel. Bis zum Horizont stapeln sich Müllsäcke, Computer, Bildschirme und ausrangierte Autotüren. Menschen in abgewetzter Kleidung stehen gebückt, die Augen fest auf den Boden gerichtet. Weit und breit keine Bäume oder Sträucher. Es ist eigentlich unvorstellbar, daß hier überhaupt menschliches Leben stattfinden kann.

Dabei verbrachten die Filmemacher Florian Weigensamer und Christian Krönes selbst drei Monate an diesem Ort: Agbogbloshie ist ein Stadtteil der Millionenmetropole Accra im westafrikanischen Ghana. Früher eine Lagune, wo Wasser sprudelte und Tiere zu Hause waren, befindet sich heute hier eine der größten Elektro-Müllhalden der Welt. Rund 6000 Frauen, Männer und Kinder leben und arbeiten in dieser Ödnis. Zerbrechliche Hütten mit Plastiktüren und Wellblechdächern. Sie selbst nennen diesen Ort „Sodom.“

Weigensamer und Krönes fangen dieses Universum in epischen Bildern ein: gemäldeartig und im großen Kinostil. Lange Einstellungen spiegeln auswegloses Leben: Ein kleiner Junge in schmutziger Kleidung zerkleinert Computerbildschirme, junge Männer zerlegen einen alten Bus in seine Einzelteile, sie tanzen am Abend zu Rapmusik oder verbrennen gebrauchte Elektrokabel, um die Metalle freizulegen. Der Wind verteilt den giftigen Rauch in jede Ritze. Nirgends gibt es ein Entkommen. Vielleicht ist Müllhalde auch einfach nicht das richtige Wort. Vielmehr blicken wir in den Abgrund menschlicher Zivilisation. Denn die Elektrogeräte, die in Industrieländern gekauft werden, landen nach kurzer Lebensdauer in Afrika. Was wir aussortieren, wird am Ende der Welt unter Extrembedingungen zu Geld gemacht.

Es ist ein absurder Kreislauf, den die Dokumentarfilmer hier vor Augen führen. Biographien aber werden immer nur kurz angerissen. Da ist der junge Medizinstudent, der aufgrund seiner Homosexualität verfolgt wird und hier in Sodom Zuflucht sucht, oder das Mädchen, das sich als Junge verkleidet, um bessere Jobs zu bekommen. Denn Frauen sind in dieser Welt nur Randfiguren. Sie verkaufen Wasser oder versuchen, ihre Babies durchzubringen.

Wirklich nah aber kommen die Filmemacher den Menschen nicht. Auch werden die Hintergründe zu dem Ort oder politische Verstrickungen ausgeblendet. So bleibt WELCOME TO SODOM der meditative Einblick in einen Ort, der schon längst keiner mehr ist.

[ Claudia Euen ]