Originaltitel: LE OTTO MONTAGNE

I/Belgien/F 2022, 147 min
FSK 6
Verleih: DCM

Genre: Drama

Darsteller: Luca Marinelli, Alessandro Borghi, Filippo Timi

Regie: Felix van Groeningen, Charlotte Vandermeersch

Kinostart: 12.01.23

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Acht Berge

Tatsächlich … Liebe

Andere Sprach-, Kultur- und Menschenkreise haben den hiesigen zumindest eines voraus: Sie gehen lebendiger, freier, also offensiver mit den drei zauberhaften Worten „Ich liebe Dich“ um, speziell dann, wenn es eben nicht die Paarbeziehung meint, sondern den besten Freund oder die innigste Freundin. Eine Freundschafts- als Liebesgeschichte? Felix van Groeningen und Charlotte Vandermeersch hatten sich das für die Adaption von Paolo Cognettis Roman „Acht Berge“ vorgenommen. Mit weit aufgerissenem Herz, elegantem Strich durch über zwei Jahrzehnte, Bildern, die das Majestätische nie leugnen, und dem Musiker Daniel Norgren, der seine fulminanten Töne doch noch gefunden hat, ist es ihnen gelungen.

Echte Berge haben natürlich geholfen, die italienischen Alpen mit karstigem Stein, einer entlegenen Alm, Gletscher und einem fast leergezogenen Dorf. Dort, wo der 11jährige Bruno und seine Tante zwei von 14 letzten Einwohnern sind. Vater arbeitet auswärts. Und Mutter? Brunos Blick muß genügen, um zu sagen, daß sie fehlt. Für Pietro bedeutet das Haus hoch oben, fernab von Turin, Sommerferienidylle. Als die Jungs sich begegnen, ist es, ja, Liebe auf den ersten Blick. Genauso gemeint, nicht auf andere Pfade gelotst. ACHT BERGE hält sich nicht damit auf, Differenzen zwischen Stadt und Land und das, was sie aus den Menschen machen, aufzurechnen. Der Anriß genügt, und doch liegt etwas sehr Spezielles in Pietros Ton, als er auf die Ankündigung seiner Eltern reagiert, Bruno in die Familie zu holen. Wo Freude in ihm überlaufen müßte, sagt er knapp: „Turin wird Bruno kaputtmachen!“

Immer halb Junge, halb Mann werden sie sein, wenn sie miteinander sind. Ihr galoppierendes Alter ist dabei relativ, denn als sie dieser sanftmütige Film verläßt, zählen andere Dinge. Daß das Steinhaus wieder steht. Daß Pietro seine Worte gefunden hat, wie Bruno wissend, wonach sein Freund sucht, zufrieden feststellen wird. Daß Bruno vom Berg nie lassen wird, was auch immer geschah und geschieht. Daß Nepal nicht wirklich Entfernung bedeuten, eine Frau nicht wie eine Guillotine zwischen zwei Männer fahren muß, daß gute Väter schlecht an nur einem Wesen festzumachen sind.

2003 gab es von Marco Tullio Giordana ein Kinostück mit ähnlichem Atem. DIE BESTEN JAHRE nahmen sich 366 Minuten, um durch italienische Freund- und Landschaften zu streifen. Wer hat den eigentlich auch geliebt?

[ Andreas Körner ]