D 2021, 99 min
FSK 6
Verleih: Farbfilm

Genre: Dokumentation

Regie: Uli Decker

Kinostart: 20.10.22

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Anima – Die Kleider meines Vaters

Sprich (nicht) mit ihr

Eine Dame vom Bibelkreis schrillt alarmiert „Warum müssen das alle wissen?!“, verweist auf mögliche Intoleranz der Anderen und schiebt dieses theoretische Konstrukt vors eigene Unverständnis. Sowieso finden oft zwei Worte Erwähnung, nämlich „normal“ und „Einsamkeit“, während das gar schreckliche Geheimnis einfach sagt, daß Uli Deckers Vater Transvestit war.

Nach seinem Tod probiert Decker das, was bisher verwehrt blieb – eine Annäherung. Sie entspinnt zwei Lebensfäden, ihren und den väterlichen, sucht Verknüpfungspunkte, entdeckt wenige. Er, der C. G. Jung folgend seiner Anima die nötige Weite schenken wollte, hatte – scheinbar? – nie viel übrig für eine unablässig rebellierende Tochter, welche sich einen Bart wünschte, mal plante, Papst zu sein und aus Liebe zur Deutschlehrerin zu sterben. Ja, Außen- und Innenbild der Vorbildfamilie Decker wichen voneinander ab, wie’s nur ging, die bayerische Provinz duldet keine Nonkonformität.

Es fallen Sätze, die man sich rahmen und immer wieder lesen möchte, den sicher schönsten spricht Deckers Mutter. Eine Frau, erst zur Heimat passend unnahbar und emotionsbeschränkt wirkend – bis die Fassade bröckelt; beim Erinnern aufs Kissen dreschende Hände deuten komplexe Gefühlsverwerfungen von Wut bis Hilflosigkeit an. Schließlich: „Ich wäre nie gegangen.“ Fortan war sie dem spät geouteten Gatten eine Alliierte, ihn befreiend zwar, bloß eben parallel schweigend verbündet gegen die Kinder. Was da verlorenging, auch davon berichtet Deckers berührende, dazu formal brillant Animationsfilmelemente nutzende Doku, schält Kommunikation als Fundament jeder Beziehung heraus. Sie sollte Lehrmaterial werden …

[ Frank Blessin ] Frank mag Trash, Grenzgängerisches und Filme, in denen gar nicht viel passiert, weil menschliche Befindlichkeiten Thema sind. Russ Meyer steht deshalb fast so hoch im Kurs wie Krzysztof Kieslowski. Frank kann außerdem GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN mitsprechen und wird IM GLASKÄFIG nie vergessen ...