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Bowling For Columbine

Sure Shots: ein Ami bewaffnet sich mit Satire

Michael Moore, als Teenager Schützenkönig, Mitglied der National Rifle Association, von der Baseball-Kappe bis zu den Turnschuhfüßen wandelndes Klischee eines moppeligen weißen US-Amerikaners um die Fünfzig, geht nach Flint, Michigan, wo er aufwuchs, und hat eine erschreckende Zahl im Kopf. Über 10.000 Menschen werden in den USA jährlich durch Schußwaffen getötet.

Drüben in Colorado liegt die Columbine Highschool, bedenklich nahe eine Raketen-Fabrik, ein Stückchen weg wohnt ein Herr, den man mit dem Attentat von Oklahoma City in Verbindung bringt, und der ohne Knarre unterm Kopfkissen kein Auge zutut. Überall Bilder bewaffneter Zivilisten, denen Moore Filmschnipsel amerikanischer Militäreinsätze gegenüberstellt, vor allem aber Dokumente einer Paranoia-Industrie, die per TV vor afrikanisierten Killerbienen, bedrohlichen Rolltreppen und schwarzen Mitbürgern gleichermaßen warnt - Amerika hat Angst. Und hinter der Grenze? Die kanadischen Nachbarn handhaben das Waffenrecht ähnlich leger, aber kaum einer stirbt daran. Wie das wohl kommt, fragt sich Mr. Moore. Ist es das Bowlen, dem die Jungs aus Littleton noch frönten, bevor sie Mitschüler und Lehrer abknallten? Ist es der Musik-Antichrist Marilyn Manson? Er trifft einen, der mehr weiß: Charlton Heston, prominentes Gesicht der amerikanischen Waffenlobby, attackiert die angespannte deutsch-amerikanische Freundschaft von ungewohnter Seite und kommt beim Vergleich zur Gewalt-Geschichte Deutschlands zum Ergebnis, daß die Amis uns auch hierin übertrumpft haben. Die Guerilla-Interview-Strategie fliegt auf und Moore raus.

Trotzdem greift er die Idee des Hollywood-Kollegen auf (so ernst, wie ein Satiriker eben kann), läßt in einem Cartoon eine süße Patrone die American History von "Angst" bis "Ziemlich ängstlich" durchbuchstabieren, und setzt damit seiner unverschämt naiven Lehrfilm-Parodie von grausam hohem Unterhaltungswert eine weitere scharfzackige Krone auf. Daß der Medienschelter, bewaffnet mit dem Photo einer ermordeten Sechsjährigen und begleitet von Überlebenden des Columbine-Massakers, dann doch noch als medial gewandter Betroffenheitsritter mit dem Gegner kollaboriert, weist ihn als Kind seiner Kultur aus: Moore guckt wirklich von Innen!

Originaltitel: BOWLING FOR COLUMBINE

USA/Kanada/D 2002, 122 min
Verleih: Prokino

Genre: Dokumentation, Satire

Stab:
Regie: Michael Moore
Drehbuch: Michael Moore

Kinostart: 21.11.02

[ Sylvia Görke ]