Originaltitel: BROKEBACK MOUNTAIN

USA 2005, 134 min
Verleih: Tobis

Genre: Liebe, Schwul-Lesbisch, Western

Darsteller: Jake Gyllenhaal, Heath Ledger, Michelle Williams, Anna Hathaway

Regie: Ang Lee

Kinostart: 09.03.06

6 Bewertungen

Brokeback Mountain

Sie woll’n ’nen Cowboy als Mann - Ang Lee gibt dem Western etwas ganz Ursprüngliches zurück

Immer wieder diese Himmel. Ohne Grenzen scheinbar, verschwörerisch, wie sie sicher nur über den amerikanischen Südwesten ziehen können. Dieses endlose Blau, mittendrin die bizarrsten Wolkenformationen. So etwas muß einem einfach die Sinne durchwirbeln. Und genau so wird es auch den zwei Viehtreibern Ennis und Jack gehen. Beide sind im besten, wie man so umgangssprachlich sagt, heiratsfähigen Alter, ihre Mädels warten zuhause, während sich die Jungs um Arbeit bemühen. Was in diesen Zeiten nicht so einfach ist. Denn der wilde Westen ist nicht mehr ganz so wild und hat sich auch sonst verändert: statt unzähliger Kühe treiben die Kerle nun wollige Schafe auf die satten Wiesen.

Eines Nachts, nach vielen vorausgeschickten Blicken, legt Jack endlich seinen Arm um den schlafenden Ennis, der auf die Umarmung heftig reagiert. Doch aus der erschrockenen Abwehr wird der erste Sex zwischen den Cowboys. Noch etwas ungelenk, beinahe roh, aber das Eis ist gebrochen, will man meinen. Mitnichten, denn am nächsten Tag folgen dann die üblichen Schwüre, daß man gar nicht schwul sei und überhaupt. Doch beide merken, daß ihre Anzie-hung weit über das Sexuelle hinausgeht. Und in der Wildnis ist noch so manche Nacht sehr lang, sehr kalt und sehr einsam ...

Ang Lee, dieser so ausnehmend meisterhafte Filmemacher, führt mit dem filmischen Bekenntnis zur Liebe unter Cowboys ein Genre zu seiner Ursprünglichkeit zurück und verirrt sich trotz Lagerfeuer und enger Jeans in keine schwülstige Wild-West-Romantik. Er rutscht nicht auf bloßen Behauptungen aus, verliert sich nicht in blassen Poesiealbum-Gefühlen. Weiß er doch, daß es in den 1960er Jahren in den Staaten und dazu noch in der Provinz weit Unkomplizierteres gab, als einfach mal zu sagen: Ich bin Cowboy, ich bin schwul und das ist gut so ... Und so halten Jack und Ennis ihre Beziehung geheim. Ihre Wege trennen sich, beide heiraten, beide werden Väter, und beide leiden still. Doch dann schreibt Jack eine Karte ...

Es ist unglaublich, wie gefühlvoll Lee (endlich) dem alten Mythos schwuler Sexualität unter Cowboys nachgeht. Das hat sich vor ihm keiner in solcher Deutlichkeit gewagt, das ging in einigen guten Western nie über eine kühn interpretierbare Andeutung, einen vagen Blick unter stolzen Männern hinaus. Lee braucht für diese herzrührende Fabel keinen aufgesetzt epischen Schwung, kein ausuferndes Orchester, keine Margaret-Mitchell-Dialoge. Größe entsteht hier von selbst aus dieser unmöglichen Liebe in dieser unwirklichen Landschaft. Er erzählt seine Geschichte ganz simpel, weil es für diese Liebe keiner umständlichen Erklärungen bedarf, weil seine Helden ganz einfache Viehtreiber und Rodeoreiter sind. Da darf und will er sich nicht mit schönfärbender, inszenatorischer Raffinesse über seine Helden und gegen deren Glaubwürdigkeit stellen. Und so konzentriert er sich neben der komplizierten Liebesgeschichte auf dieses ewige Zweifeln, auch auf die Angst, daß es die Nachbarn merken könnten und - da seine Geschichte über mehr als zwanzig Jahre geht - letztendlich auch auf das schmerzliche Verschwenden von Jugend. Und all das nur wegen hölzerner Konventionen, die es Jugendlichen gerade im Ländlichen der USA noch heute fast unmöglich machen, zu ihren Gefühlen, zu ihrer Sexualität als etwas ganz Normalem zu stehen. Lee ist natürlich kein didaktischer Erzähler, diese Ebene findet bei ihm ganz von selbst im Subtext statt.

Ang Lee ist aber auf jeden Fall auch ein richtiger Schauspieler-Regisseur. Was er gerade aus dem bisher eher unauffälligen Heath Ledger rausholt, ist unglaublich. Schon gleich zu Beginn, wenn Ledgers Ennis mit aller Schüchternheit und heftiger Unsicherheit an einem Trailer lehnt, unter eben diesem gnadenlosen Himmel, und dann plötzlich und unvermittelt schon mal so ganz frech zu Jack rüberschielt, bereits dann geht sein Spiel tief unter die Haut.

So einer erzreaktionären Nase wie John Wayne hätte das alles sicher gar nicht gut gefallen. Zumindest nicht offiziell. Uns aber schon. Sehr sogar.

[ Michael Eckhardt ] Michael mag Filme, denen man das schlagende Herz seiner Macher auch ansieht. Daher sind unter den Filmemachern seine Favoriten Pedro Almodóvar, Xavier Dolan, François Ozon, Patrice Leconte, Luis Buñuel, John Waters, François Truffaut, Pier Paolo Pasolini, Ingmar Bergman. Er mag aber auch Woody Allen, Michael Haneke, Hans Christian Schmid, Larry Clark, Gus Van Sant, Andreas Dresen, Tim Burton und Claude Chabrol ...
Bei den Darstellern stehen ganz weit oben in Michaels Gunst: Romy Schneider, Julianne Moore, Penélope Cruz, Gerard Depardieu, Kate Winslet, Jean Gabin, Valeria Bruni-Tedeschi, Vincent Cassel, Margherita Buy, Catherine Deneuve, Isabelle Huppert ...
Eine große Leidenschaft hat Michael außerdem und ganz allgemein für den französischen Film.