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Brothers (2004)

Mitten ins Herz

Die dänische Regisseurin Susanne Bier, jetzt kann man es laut sagen, steht für äußerst intensives Kino. Kompromißlos schmerzlich, sehr real und doch wunderschön. Ihr letzter Film OPEN HEARTS hieß nicht umsonst so. Und auch in ihrem neuen läßt sie Protagonisten- und Zuschauerherzen bluten.

Zwei Brüder: Michael, der erfolgreiche Soldat, liebende Vater und Mustersohn mit einer tollen Frau und Sinn für Familie. Und Jannik, der es nicht weiter gebracht hat, als einmal in den Knast, und der schnell gereizt ist. Kein Wunder, immer reiben ihm die Eltern unter die Nase, wer der wahre Sohn ist. Trotzdem schaut er zu Michael auf. Und genau das macht das Verhältnis zwischen beiden so spannungsreich. Plötzlich gilt Michael als tot. Sein Hubschrauber wurde in Afghanistan abgeschossen. Der Zufall will es, daß Jannik beginnt, sich um seine Schwägerin Sarah und die Kinder zu kümmern, er zum sorgenden Ersatzvater wird. Eine luftig leichte Liebesgeschichte kündigt sich an. Aber Michael ist nicht tot, sondern wurde in ein finsteres Verließ gesperrt. Sollte er je zurückkehren, ist der Konflikt vorprogrammiert, so viel ist klar. Aber noch täuscht sich der Zuschauer über dessen Ausmaß.

Während die Hinterbliebenen in Kopenhagen den gebotenen Anstand bewahren, wird der Gefangene vollkommen demoralisiert, verliert erstmals die Kontrolle über die Situation und kehrt traumatisiert in die Familie zurück, ein Fremder. Die Kriegswelt hält auf brutale Weise Einzug ins Alltagsleben, und die Brüder, jeder mit dem Persönlichkeitswandel des anderen konfrontiert, prallen aufeinander und können nicht aus ihrer Haut.

Susanne Bier, freilich mit Hilfe ihrer großartigen Darsteller, schöpft das Konfliktpotential bis zum Äußersten aus, leise zunächst und schließlich mit der Wucht einer klassischen Tragödie. Aber dann läßt sie ihre Figuren doch nicht allein mit ihren Gefühlen. Immer gibt es einen Funken Hoffnung. Immer gibt es das Lebendige und Humorvolle. Schließlich liegt die unsichtbare Welt der Zwischenmenschlichkeit offen, und die Nerven liegen blank. Und noch einmal: Das ist Kino.

Originaltitel: BR¯DRE

DK 2004, 110 min
Verleih: Solo Film

Genre: Drama

Darsteller: Connie Nielsen, Ulrich Thomsen, Nikolaj Lie Kaas

Regie: Susanne Bier

Kinostart: 31.03.05

[ Lars Meyer ] Im Zweifelsfall mag Lars lieber alte Filme. Seine persönlichen Klassiker: Filme von Jean-Luc Godard, Francois Truffaut, Woody Allen, Billy Wilder, Buster Keaton, Sergio Leone und diverse Western. Und zu den „Neuen“ gehören Filme von Kim Ki-Duk, Paul Thomas Anderson, Laurent Cantet, Ulrich Seidl, überhaupt Österreichisches und Skandinavisches, außerdem Dokfilme, die mit Bildern arbeiten statt mit Kommentaren. Filme zwischen den Genres. Und ganz viel mehr ...