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Charlie Bartlett

Von einem, der auszog, Pillen zu verticken

Der Grund, warum der Typ mit diesem rotzfrechen Jungengesicht wieder von der Eliteschule fliegt, ist ein recht profaner, gemessen an dem, was noch folgt: Charlie hat Ausweise gefälscht, Führerscheine zum Verwechseln ähnlich unter seine Mitschüler gebracht, bisweilen gegen einen kleinen Obolus. Wobei ihm die Kohle egal sein kann, der Knabe lebt mit seiner wohlhabenden Mutter in einem schloßähnlichen Anwesen. Darin steht übrigens auch ein übergroßer Flügel, an dem Charlie bisweilen den Jazzer raushängen läßt, während Mutter der Wein die Kehle zügig herunter fließt. Eine schon ziemlich kaputte Familie, diese Bartletts, zumal der abwesende Vater auch eine kriminelle Hypothek mit sich rumschleppt ...

Nun muß Charlie also auf eine neue Schule, diesmal ist Schluß mit lustig, keine Wohlstandshorte mehr, der Junge mischt sich unters Prekariat, er muß an eine normale staatliche Schule. Wobei normal hier bitte nicht zu wörtlich zu nehmen ist, wie Charlie schon auf seiner Schulbusfahrt merken wird: Brainies, Kiffer und Bitches bestimmen das Bild, da nimmt sich einer wie der schmalschultrige Neupennäler in seiner depperten Uniform schon beinahe wie ein Lehrer aus. Die allerdings haben’s auch in sich, der Direktor zum Beispiel nippt ganz gern während der Arbeit und außerdienstlich am Gläschen zu viel. Auch an dieser Schule wird Charlie nicht sofort klarkommen, bis er eines Tages auf der Couch eines Psychiaters liegt - die Familie hat selbigen selbstverständlich auf Abruf zur Verfügung - worauf man bei ihm ADS diagnostiziert und Charlie auf Pille die schrägsten Ideen kommen. Und so blüht bald an der Schule, bekanntermaßen ein Sammelsurium Problemgeplagter, der Handel mit der ganzen Palette an Tabletten zwischen Aufputschmittel und Tranquilizern. Und da Charlie ein gewissenhafter und wirklichen helfen wollender Kerl ist, gibt es vorher immer eine Art seelische Beichte im Herrenklo!

Und hier entpuppt sich das ganze Talent des charmant aufspielenden Jungmimen Anton Yelchin. Er besteht in der Königsdisziplin der spielenden Zunft, Yelchin ist ein lupenreiner Komödiant. Regisseur und Autor Jon Poll liefert ihm dazu auch aberwitzige Situationen und einen perfekten Gegenspieler. Robert Downey Jr. als trunksüchtiger Schulleiter erweist sich mal wieder als Messias der Schauspielkunst. Brillant die Szene, in der er besoffen mit Kapitänsmütze auf einen Plastikdampfer im Pool schießt. Dabei ist der Schulleiter nur angepißt, weil Charlie bei seiner Tochter etwas ziemlich Heftiges ausgelöst hat.

Poll tat außerdem gut daran, neben allen schrägen Momenten dieser herrlichen Komödie, den einen oder anderen ernsteren Erzählstrang geschickt einzuflechten, und selbst unvermeidliche Botschaften gelingen ihm subtil. Eine davon ist, daß der schräge Charlie eben nur geliebt werden will. Und eine andere geben Charlie und das Direktorentöchterchen wunderbar am Klavier: "There’s A Million Ways To Go ..." Cat Stevens wußte das eben schon vor seiner Yussuf-Reinkarnation.

Originaltitel: CHARLIE BARTLETT

USA 2007, 97 min
Verleih: Central

Genre: Komödie, Erwachsenwerden, Schräg

Darsteller: Anton Yelchin, Robert Downey Jr., Hope Davis

Regie: Jon Poll

[ Michael Eckhardt ] Michael mag Filme, denen man das schlagende Herz seiner Macher auch ansieht. Daher sind unter den Filmemachern seine Favoriten Pedro Almodóvar, Xavier Dolan, François Ozon, Patrice Leconte, Luis Buñuel, John Waters, François Truffaut, Pier Paolo Pasolini, Ingmar Bergman. Er mag aber auch Woody Allen, Michael Haneke, Hans Christian Schmid, Larry Clark, Gus Van Sant, Andreas Dresen, Tim Burton und Claude Chabrol ...
Bei den Darstellern stehen ganz weit oben in Michaels Gunst: Romy Schneider, Julianne Moore, Penélope Cruz, Gerard Depardieu, Kate Winslet, Jean Gabin, Valeria Bruni-Tedeschi, Vincent Cassel, Margherita Buy, Catherine Deneuve, Isabelle Huppert ...
Eine große Leidenschaft hat Michael außerdem und ganz allgemein für den französischen Film.