Originaltitel: WHERE THE CRAWDADS SING

USA 2022, 126 min
FSK 12
Verleih: Sony

Genre: Drama, Thriller, Literaturverfilmung

Darsteller: Daisy Edgar-Jones, David Strathairn

Regie: Olivia Newman

Kinostart: 18.08.22

8 Bewertungen

Der Gesang der Flußkrebse

… hat’s nicht so mit Zwischentönen

Ob es wohl am eigentlich nichtssagenden, aber trotzdem faszinierte Neugier weckenden Titel liegt, daß Delia Owens’ Debütroman durch sämtliche Decken schoß? Oder waren’s die ausufernd-sehnsüchtigen Landschaftsbilder, bei deren Entwurf die Autorin offensichtlich wußte, wovon sie schreibt? Möglicherweise auch der deutlich feministische Grundton ihrer Story? Sogar nach der Lektüre fällt es schwer, eine treffende Antwort zu geben. Und, das sei vorausgeschickt, diese Adaption macht den Hype nicht verständlicher.

Weil sie sich zwar spürbar bemüht, dabei indes bloß überschaubare Erfolge einfährt. Drehbuchautorin Lucy Alibar gelingt es lediglich zu Teilen, Owens’ schwelgerische und dann wieder verblüffend pointierte Sprache in Dialoge zu übertagen, natürlich muß eine Stimme aus dem Off allerhand Hinweise bezüglich emotionaler Stimmungslagen oder charakterlicher Brüche raunen. Es gelingt Regisseurin Olivia Newman kaum, plastische Figuren zu entwerfen, da mimt ein unbestritten fähiges Ensemble (David Strathairns zugewandte Knarzigkeit!) leider wenig miteinander. Newman fehlt vielleicht die Erfahrung, ihr erst zweiter Film schlägt zu Buche, zudem ein solcher Erwartungsknüller – verschreckt geht sie auf Nummer sicher. Finsteres passiert also im dräuenden Halbdunkel, Schönes am malerischen Strand, Figuren sind stets klar als gut oder böse definiert. Und wenn tatsächlich mal irgendetwas eigenständige Interpretation erfordern könnte, springt sofort der erwähnte Off-Kommentar vermeintlich hilfreich zur Seite.

Wobei man sich fragt, was erläutert sein muß, schließlich versprüht die nah am Buch ausgerollte Geschichte nicht gerade facettenreich schillernden Glanz. Zur Erinnerung bzw. Erklärung: Wir begegnen Kya, die von ihrer Familie verlassen im Marschland aufwächst. Zwei Männer umwerben Jahre später die zur scheuen jungen Frau Herangewachsene, einer von ihnen verliert bereits zu Beginn sein Leben. Das Kya schon immer skeptisch beäugende Stadtvolk packt Mistgabeln und Fackeln aus, nur ein wackerer Anwalt tritt an, sie zu retten …

Rückblenden rollen das Geschehene auf, berichten von Vernachlässigung, Mißbrauch, Kampf um die Würde, Zuneigung, Leidenschaft, Stärke, Selbstbestimmung. Kyas nominelle Armut sieht derweil hübsch geschniegelt aus, die Marsch funkelt und glitzert, hier fischt ein Reiher, dort der Nachbarsjunge. Und Wundersames geschieht: Owens’ Vorlage wird gleichzeitig eingedampft und ausgewalzt, unterfütternde Details verschwinden, der verbliebene Rest bläht sich. „Nicht alle Worte sagen viel aus“, spricht dazu Kyas Verehrer (der Warmherzige, nicht der Drecksack). Genau.

Nach zwei Stunden, denen man gefühlt mehr Länge zuerkennen mag, findet Newman letztlich zu einem endlich berührenden Finale, zeigt Empathie, inszenatorisches Talent und sensible Schauspielerführung. Warum nicht von Anfang an so?!

[ Frank Blessin ] Frank mag Trash, Grenzgängerisches und Filme, in denen gar nicht viel passiert, weil menschliche Befindlichkeiten Thema sind. Russ Meyer steht deshalb fast so hoch im Kurs wie Krzysztof Kieslowski. Frank kann außerdem GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN mitsprechen und wird IM GLASKÄFIG nie vergessen ...