Originaltitel: MAL DE PIERRES

F 2016, 116 min
FSK 6
Verleih: StudioCanal

Genre: Drama, Literaturverfilmung

Darsteller: Marion Cotillard, Louis Garrel, Alex Brendemühl, Brigitte Roüan, Aloïse Sauvage, Daniel Para

Regie: Nicole Garcia

Kinostart: 02.03.17

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Die Frau im Mond

Eine Kur wirft Schatten

Der Begriff vom Kurschatten erfährt in diesem bis in die Haarspitzen tragischen wie romantischen Film zwei neue Bedeutungen. Die eine darf unter keinen Umständen verraten werden, sonst hat sich das mit dem genußvollen Sehen gleich wieder erledigt. Die andere Bedeutung aber unterstreicht das expressive Sehnen der weiblichen Hauptfigur nach erfüllter Liebe und Sexualität. Es ist der Wahnsinn! Ja, auch der!

Gabrielle geht schon mal ins kalte Wasser und zieht ihr Hemdchen hoch. Die Lust, die sie fühlt, ist ziellos und grenzenlos zugleich. „Obsessiv“ sagen jene, die ihr Wissen aus Lehrbüchern beziehen. „Schamlos“ sagt man in Gabrielles französischem Lavendeldorf, vor allem von Seiten ihrer Familie. Es sind die 50er Jahre …

Als ihr ein gebildeter Mann Emily Brontës „Sturmhöhe“ zu lesen gibt, deutet Gabrielle die Zeichen völlig falsch. Seine harsche Abweisung empfindet sie hernach als Ohrfeige, für die Familie wird es eine Schmach. Rettung soll eine Heirat bringen. José, der wiederkehrende spanische Gastarbeiter, hat längst ein schüchternes Auge auf die bezaubernde, sehr eigenwillige junge Frau geworfen. Gabrielles Mutter ist es nicht entgangen, und sie kauft sich bei José ein. Wie wäre es, du nimmst sie und baust dir mit ihr im fernen Lyon eine Existenz auf? Es ist ein Arrangement provenzalischer Art.

Auch Gabrielle arrangiert sich mit dieser Ehe, macht José gegenüber klare Ansagen, wonach es weder Liebe noch Beischlaf geben wird. Nebenher krümmt sie sich in Schmerzen. Wo nahestehende Menschen glaubten, sie sei eine eingebildete Kranke, entdecken Ärzte echte Nierensteine. Eine Kur in der Schweiz berge die Chance auf Heilung. Widerwillig nur reist Gabrielle dorthin. Und trifft im Sanatorium auf einen im Indochina-Krieg verletzten Leutnant.

Und ob DIE FRAU IM MOND großes Kino ist! Exzellente Bilder, verschwärmte Geigen, eine wie stets alterslose und angstfrei mit ihrem Körper agierende Marion Cotillard mit dem nächsten Ticket zum Leinwand-Abonnement, dazu die unbestechlichen Energien aus allen Gefühlslagen heraus: Regisseurin Nicole Garcia hat die von Millionen „gefressene“ literarische Vorlage frei behauen und mehr als nur territorial von Italien nach Frankreich verschoben.

Was ihr besonders gelungen ist: das Schweigen der Männer. Die Effizienz der Dialoge wirkt in einem Liebesfilm dieser Wucht – mit Ansage – wie ein Rettungsring.

[ Andreas Körner ]