Originaltitel: LA SYNDICALISTE

F/D 2022, 121 min
FSK 16
Verleih: Weltkino

Genre: Drama, Polit, Thriller

Darsteller: Isabelle Huppert, Grégory Gadebois, Yvan Attal, Pierre Deladonchamps, Marina Fois

Regie: Jean-Paul Salomé

Kinostart: 27.04.23

3 Bewertungen

Die Gewerkschafterin

La Huppert – eine superbe Retterin

Isabelle Huppert, im März dieses Jahres 70 geworden? Mon dieu, impossible! Doch wie es scheint, will sie es noch immer wissen. Gefühlt halbjährlich ist sie mit einem neuen Film am Start und schickt ihr selbst formuliertes Credo auf den Prüfstand, wonach sie nicht mehr nach Stoffen, sondern nur noch nach Menschen sucht, die diese Stoffe verfilmen. Im Falle Jean-Paul Salomé wird die Hauptdarstellerin zur Wiederholungstäterin. Er hatte ihr DIE FRAU MIT BERAUSCHENDEN TALENTEN geschenkt, eine lupenreine und überdies sehr erfolgreiche Komödie. In DIE GEWERKSCHAFTERIN verhakt sich beim Zuschauen jedes Lachen im Hals.

Es ist jene Sorte Film, bei denen man nur bis zur 45. Minute kommen sollte, um die Handlung zu beschreiben, neugierig zu machen, zu reflektieren. Danach ist der potenzielle Betrachter tunlichst sich selbst zu überlassen. Die Codes scheinen geknackt, man ist überzeugt davon, einen leidlich feschen Politthriller zu sehen, in dem sich eine altgediente und über Gebühr emsige Kämpferin für Arbeitnehmerrechte letzte Schrammen holt, bevor nach sechs Amtsperioden langsam mal Schluß sein könnte mit den Rangeleien in noch immer von Männern dominierten Führungsetagen. Es geht um Atomkraftwerke, Vernetzungen von französischem Staat und Privatkonzernen, China und ein Anwesen am See.

So, als hätte auch der Filmtitel bis dahin noch sein großes Versprechen bewahrt, bekommt das Geschehen nach dieser Dreiviertelstunde späte Spannungsmomente auf neuer Ebene. Das galoppierend-nervöse Klavier des übermächtigen Bruno-Coulais-Soundtracks konnte sie nicht liefern, dazu bedurfte es endlich echten Futters, das die Huppert dann dankend annahm. Kleinere Nickligkeiten und einen Stuhlschmiß hatte ihre Figur der Maureen Kearney bis dahin weggesteckt, jetzt führt ein schon am Beginn angerissener Überfall im Privathaus endlich zu Ermittlungen, die sich dann bis zum Ende ordentlich zum Skandal aufdrehen. Den es, auch das sei noch verraten, wirklich gegeben hat, denn fiktional nähert sich DIE GEWERKSCHAFTERIN wahren französischen Begebenheiten an.

Lügen oder Wahrheiten? Paranoia oder Ohnmacht? Es wird vorzugsweise mit vagen Antworten jongliert, addiert zu Szenen einer milden Ehe. Kaum auszudenken, Huppert hätte keine Lust gehabt, ein zweites Mal mit Salomé zu arbeiten. Wie sie allein diesen Film noch zu retten vermag, ist superb.

[ Andreas Körner ]