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Factory Girl

Wie bastelt man eine gescheiterte Existenz?

Es ist durch viele Beispiele belegt, wie zerstörerisch Ruhm sein kann; zumal, wenn er labile Menschen trifft. Edie Sedgwick bildet keine Ausnahme: Attraktiv, intelligent, doch mit dunklen Flecken auf der Seele behaftet, stieg sie in den 60er Jahren zur Stilikone, Partylöwin und Muse Andy Warhols auf – um tief zu fallen, im Drogensumpf zu versinken. Grund genug, ihr das vorliegende Biopic zu widmen, die komplexe Persönlichkeit zu ergründen. Oder?

Nun, eher nicht, weil es dem Film zwar gelingt, einiges Zeitkolorit einzufangen, dazu hübsche Visualisierungen aufzufahren, er auf der Charakterebene indes versagt. So wird Warhol lediglich als schwanzfixierter Egoist dargestellt, der zusammen mit Edies Vater (homophob und geil auf seine minderjährige Tochter, sonst facettenlos) deren Untergang zu verantworten hat. Derlei grobmotorische Figurenschnitzerei verschont auch Sedgwick selbst kaum, nirgends blitzt ihr gerühmter geistreicher Witz auf, ihr Temperament liegt unter Dauergrinsen verborgen, wichtige Lebensstationen bleiben außen vor oder weichen ebenfalls der Simplifizierung. Wenn Edie in eine neue Lebensphase eintritt, innere Wandel vollzieht, bemerkt man das weder an ihrem Sagen noch Tun, sondern durch veräußerlichte Abbildungen: neue Haarfarbe? Andere Frisur? Etwas mehr Kajalstift um die Augen? Aha, unsere Antiheldin verändert sich! Was ungeachtet starker Akteure und eines famosen Soundtracks doch eher langweilt.

Und dann gibt es für Zuschauer, welche solche Zeichen nicht deuten können, außerdem natürlich die Verbalattacke. Da regnet es Sprüche vom Format eines "I Had To Cry For All Of Them", während Edie bereits in den ersten Minuten weiß und selbstredend auch artikuliert, daß sie ihren 30. Geburtstag nicht erleben wird. Nun wäre es interessant, sich der Frage zu widmen, weshalb Sedgwick trotz Drogenentzug, Heirat und Beginn eines neuen Lebens doch tragisch endete. Aber Buch und Regie entziehen sich dieser Aufgabe, indem sie nach Sienna Millers anrührender Darstellung als Wrack einfach ein paar Texteinblendungen an das Ende kleben, die außer den bekannten Fakten keine psychologische Erklärung liefern, nicht mal den Versuch unternehmen. Und somit ein zerrissenes Individuum endgültig zur Schablone degradieren.

Originaltitel: FACTORY GIRL

USA 2006, 99 min
Verleih: Kinostar

Genre: Biographie, Drama

Darsteller: Sienna Miller, Guy Pearce, Hayden Christensen, Jimmy Fallon, Jack Huston

Regie: George Hickenlooper

Kinostart: 27.11.08

[ Frank Blessin ] Frank mag Trash, Grenzgängerisches und Filme, in denen gar nicht viel passiert, weil menschliche Befindlichkeiten Thema sind. Russ Meyer steht deshalb fast so hoch im Kurs wie Krzysztof Kieslowski. Frank kann außerdem GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN mitsprechen und wird IM GLASKÄFIG nie vergessen ...