Noch keine Bewertung

Helle Nächte

Rhythmus der Reduktion

Ganz klar: Der deutsch-iranische Drehbuchautor und Regisseur Thomas Arslan ist einer der wenigen Formbewußten im Gegenwartskino. Hierzulande sowieso, aber auch im internationalen Kontext. Allein seine letzten zwei Filme, SCHATTEN (2010) und GOLD (2013), eine Gangsterballade der eine, ein Western der andere, zeigen sich als Arbeiten eines versierten Stilisten der Reduktion.

HELLE NÄCHTE schließt da an: Fünf Jahre hat Michael keinen Kontakt mehr zu seinem Vater gehabt. Jetzt ist der in Norwegen gestorben, und Michael, der als Bauingenieur in Berlin lebt, macht sich zur Beerdigung auf in den hohen Norden. Mit dabei: sein 14jähriger Sohn Luis. Aufgewachsen bei der schon lange von Michael getrennt lebenden Mutter, begegnet der seinem Vater mit Zurückhaltung und Abwehr. Etwas, was Michael auch von sich nur zu gut kennt – und gerne ändern würde. Dabei helfen soll ein gemeinsamer Trip durch Norwegen. Dort herrscht gerade Sommersonnenwende. Helle und somit schlaflose Nächte sind aber bald Michaels geringstes Problem.

Ein Roadmovie, eine Vater-Sohn-Geschichte. In ihrer Oberflächenkonstellation denkbar einfach, in ihren Tiefenstrukturen denkbar kompliziert. Zu einfach, zu kompliziert? Als HELLE NÄCHTE auf der Berlinale seine Premiere feierte, bemängelte die Kritik so einiges am Film. Etwa, daß er zu wenig erkläre oder die Landschaft zu grau und öde aufscheinen lasse, und daß dieses Werk zu spartanisch sei, es ihm somit an Substanz fehle. All das sagt natürlich wenig über den Film, dafür aber einiges über den Zustand der Filmkritik – und deren sich rasant verflüchtigende Substanz. Freilich: Wer vom Kino den Erklärbar in sonniger Landschaft erwartet, und gerade die Kritik, sie liebt ihn, diesen entgegenkommenden Gesellen freundlicher Unterforderung, ist bei Arslan an der falschen Adresse. Wer aber Gespür für und Gefallen an der leisen Interaktion hat, wer für das beredte Ungesagte zwischen den Figuren einer Geschichte empfänglich ist, wer den fließenden Rhythmus zu schätzen weiß, der sich im ruhigen Wechselspiel zwischen fein ziselierten Wahrnehmungen und auch mal insistierend ausgedehnten Kamerablicken entfaltet, der nun wiederum ist in HELLE NÄCHTE bestens aufgehoben.

Vielleicht nicht Arslans stärkster Film, reiht er sich dennoch ein in jene Erzähltradition und Kinophilosophie, die einiges mit Regisseuren wie Antonioni oder Rivette zu tun hat. Und das nicht nur, weil auch diese beiden einst fast genau jene Art Kritikerplattitüden zu hören bekamen, wie jetzt Arslan.

D/Norwegen 2017, 86 min
FSK 0
Verleih: Piffl

Genre: Drama, Roadmovie

Darsteller: Georg Friedrich, Tristan Göbel, Marie Leuenberger

Regie: Thomas Arslan

Kinostart: 10.08.17

[ Steffen Georgi ] Steffen mag unangefochten seit frühen Kindertagen amerikanische (also echte) Western, das „reine“ Kino eines Anthony Mann, Howard Hawks und John Ford, dessen THE SEARCHERS nicht nur der schönste Western, sondern für ihn vielleicht der schönste Film überhaupt ist. Steffen meint: Die stete Euphorie, etwa bei Melville, Godard, Antonioni oder Cassavetes, Scorsese, Eastwood, Mallick oder Takeshi Kitano, Johnny To, Hou Hsia Hsien ... konnte die alten staubigen Männer nie wirklich aus dem Sattel hauen.