Originaltitel: THEIR FINEST

GB 2016, 117 min
FSK 12
Verleih: Concorde

Genre: Tragikomödie

Darsteller: Gemma Arterton, Sam Claflin, Bill Nighy, Richard E. Grant, Jeremy Irons

Regie: Lone Scherfig

Kinostart: 06.07.17

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Ihre beste Stunde

S.O.S. – Save Our Scripts

Die inzwischen historisch gewordene Filmdoktrin „Dogma 95“ formulierte Maßgaben, die das Kino mittels Selbstbeschränkung zur künstlerischen Wahrheit zurückführen sollten. Lone Scherfig lieferte 2000 mit ITALIENISCH FÜR ANFÄNGER den ersten weiblichen Beitrag zum dänischen Keuschheitskanon, und zwar mit einer derart legeren Auslegung der Gebote, daß sie fast nicht mehr wiederzuerkennen waren. In IHRE BESTE STUNDE, Scherfigs Verfilmung eines Romans von Lissa Evans, scheint die Regisseurin diese Wurzeln endgültig kappen zu wollen. Oder treibt sie die Exegese des alten Wahrheitsanspruches zu einem Höhepunkt, an dem sich Kriegslist, Kunstwollen und Gefälligkeit schließlich ineinander auflösen?

Erzählt wird von Catrin Cole, einer patenten jungen Frau, die 1940 aus Geldmangel in die Londoner Drehbuchwerkstatt des britischen Informationsministeriums gerät. An einem „Picture To Win The War“ soll sie hier mitarbeiten, einem Tränendrücker für all die Kriegswitwen und Fronturlauber, der sie trotz Hunger und deutscher Stukas bei der Stange hält. Gewünscht ist Realität – aber nicht zu drastisch. Gefordert sind Frauen, Helden und Hunde – aber nicht zu vordergründig. Geboten ist eine prominente Besetzung – sofern die heimischen Stars nicht tot oder verwundet sind. Nun, der im Sinken begriffene Schauspielstern Ambrose Hilliard steht zur Verfügung, auch wenn er wider Erwarten irgendein Onkel und nicht der romantische Liebhaber sein darf. Catrin macht sich an die Arbeit … und Lone Scherfig auch.

Sie widmet sich dem Film im Film über den Film – genauer: dem stil- und genrebildenden Durchhaltemachwerk der Weltkriegsjahre – so kulissenhaft, nostalgisch und lieblich verlogen, daß man ihr die Dogma-Schrift schlicht um die Ohren hauen möchte. Wäre man von Geschichte und Camouflage-Ästhetik nicht so angetan. Hier baumeln Monde vor Pappmaché-Landschaften. Hier wird doppelt gelitten und geliebt, auf allen beiden Leinwänden.

Und hier gibt es – bis hin zu einigen Süßlichkeiten und Längen – eine kleine Zusammenschau von realer Todesgegenwart, britisch-humoriger Wehrhaftigkeit und mutwilligem Kino-Eskapismus, wie ihn wohl nur die Propaganda-Schmonzetten der Zeit zustande brachten. Scherfig hat sich in dieses spezielle Filmerbe samt seiner Epigonen vertieft wie eine Kampftaucherin – und gewinnt den Krieg zwischen Anspruch und Unterhaltung.

[ Sylvia Görke ]